Stellungnahme des Vorstands des NETZWERK CUBA e.V. zu einem Antrag der Bundestagsfraktion der CDU/CSU
Abs.: Netzwerk Cuba, Weydingerstr. 14 – 16, 10178 Berlin
10.10.2022
An die Mitglieder
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Deutscher Bundestag
Bezug: Antragder Fraktion der CDU/CSU, Drucksache 20/3492 vom 20.09.2022
„Kuba-Politik an Menschenrechten ausrichten“
Stellungnahme des Vorstands
Richtigstellung und gerechter Einsatz für Menschenrechte gegenüber Kuba
Im Antrag der CDU/CSU-Fraktion wird zu Recht die derzeitige „desolate Wirtschaftslage“ in Kuba angesprochen, eine Analyse von deren Ursachen unterbleibt jedoch. Neben diversen anderen komplexen Faktoren wird damit unterschlagen, dass die Entwicklung Kubas seit 1961 durch eine brutale, völkerrechtswidrige, mörderische Blockade- und Subversionspolitik der US-Regierungen gezielt gestört und erschwert wird. Die Intention wurde exemplarisch in einem Dokument vom Herbst 1959 – 16 Monate vor dem Überfall gegen Kuba („Schweinebucht“) – artikuliert: »Der Zweck des hier dargestellten Programms ist es, das Castro-Regime durch eines, das (…) annehmbarer ist für die USA, zu ersetzen, und zwar auf eine solche Weise, die den Anschein einer US-Intervention vermeidet.« Diese aggressive und völkerrechtsverletzende Haltung dominiert noch heute im US-Establishment, zeigt ein Artikel vom Juni 2022, verfasst von einem früheren Bürgermeister von Miami Beach, Philip Levine, besonders eindrücklich: „Heute gibt es für die Biden-Administration nur noch einen einzigen sinnvollen politischen Standpunkt: Eine kapitalistische Invasion der kubanischen Insel zu starten. Es ist keine harte Gewalt erforderlich. Sie kann dies tun, indem sie unsere kapitalistische Marine einsetzt, wie Royal Caribbean, Carnival und Norwegian Cruise Line; unsere kapitalistische Armee, wie Hilton, Apple und Starbucks; und unsere kapitalistische Luftwaffe, einschließlich American Airlines, Delta und Jet Blue.” Diesen maßgeblichen Kontext zu verschweigen, ist unseres Erachtens ein kolossales Defizit der Einschätzung über Kuba.
Im Antrag der CDU/CSU-Fraktion wird auf die „friedlichen Proteste“ im Juli 2021 in kubanischen Städten verwiesen, die tatsächlich und wohlbegründet stattfanden. Aber auch hier wird von den Autoren unterschlagen, dass damals eminent gewalttätige Aktionen mancher Rädelsführer durchgeführt worden sind, die dokumentiert sind – aber im Antrag verschwiegen werden. Dazu gehörten Angriffe auf eine Klinik und Polizeistationen, Attacken gegenüber Mitbürger:innen und Beamte, Brandschatzung und Anzünden von Fahrzeugen etc.). Derartige Gewalt ist bei Kundgebungen und Demonstrationen in Kuba bis dato nicht vorgefallen – allerdings in den meisten Nachbarstaaten, inkl. den USA. Einige jener Rädelsführer oder Hintermänner der Ausschreitungen und Eskalationen agierten mit nachweislicher Unterstützung der US-Botschaft und anderer US-Institutionen (inkl. NED, USAID). Des Weiteren wird in diesem Antrag nicht erwähnt, dass die kubanischen Sicherheitskräfte besonnen agierten, dass Präsident Diaz-Canel mit den Demonstrierenden direkt das Gespräch suchte und deeskalierte. Die Gewalttäter sind in rechtsstaatlichen Verfahren von den zuständigen Gerichten verurteilt worden. Demgegenüber schreiben die Autoren des Antrages von „gewaltsamer Niederschlagung“, und beziehen sich dabei nicht auf neutrale Quellen sondern ausschließlich und einseitig auf „Angaben der kubanischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte“, die – auch das wird verschwiegen – von der US-Regierung unterstützt wird und eine Art Brückenkopf für Subversionen in Kuba darstellt sowie für manche systemkritischen Inszenierungen verantwortlich ist.
Auch die anderen Quellen für diesen ominösen Antrag sind hinsichtlich Seriosität äußerst fragwürdig: verwiesen wird auf den sogenannten „Demokratieindex“, ohne zu erwähnen, dass dieser von dem antikommunistischen, ideologiegetriebenen „Freedom House“ in Washington produziert wird, eine Art Anhängsel der CIA. Und schließlich bezieht sich dieser Antrag auf die kubafeindliche, notorisch ideologisch agierende „Internationale Gesellschaft für Menschenrechte“ (IGfM). Deren hanebüchenen Übertreibungen sind unter Menschenrechtsexpert:innen berüchtigt und führen dazu, dass sie keine anderen autoritativen Menschenrechtsorganisationen als Kooperationspartner finden.
Während zahlreiche andere Staaten – außer den USA – nach dem verheerenden Großbrand der Öllager in Matanzas und den Zerstörungen durch Hurrikan Ian praktische, tätige Solidarität üben und an Kuba Spenden und Unterstützungsteams senden, tritt die „christliche“ Bundestagsfraktion gegen Kuba auf und prangert Menschenrechtsverletzungen an, die großteils eine Abwehr der Blockade- und Sanktionsmaßnahmen der Supermacht US-Regierung darstellen, die mit allen Mitteln einen „regime change“ provozieren. Wir halten es für perfide, dass die Verteidigung der Souveränität eines Landes als Menschenrechtsverletzung deklariert wird. Demgegenüber stellen gerade die unzähligen Blockade- und Sanktionsmaßnahmen der US-Regierung eines klare und monströse Verletzung der Menschenrechte von mehr als elf Millionen Kubaner:innen dar. Hinzu kommen die weltweiten Schäden durch die „extraterritorialen Effekte“, die auch die Wirtschaft und Bürger:innen in Deutschland beeinträchtigen und unsere Grundrechte verletzen. Und schließlich wird die US-Blockade (von den Tätern verniedlichend und fälschlicherweise als „Embargo“ deklariert) seit 1992 alljährlich von der überwältigenden Mehrheit der Staaten und Regierungen dieser Welt verurteilt und ihr Ende eingefordert. Auch die Bundesregierung und die EU verurteilen die US-Blockade in diesen Abstimmungen und in anderweitigen Stellungnahmen – doch wird gegen diese unsägliche Politik des großen Partners nichts unternommen, die Kalte-Kriegs-Maßnahmen und die Blockade werden stattdessen toleriert und mittelbar unterstützt.
Dass wirkliche Christen und aufrechte Menschen auch anders agieren, zeigt aktuell eine Petition von rund 300 religiösen Organisationen und Aktivisten aus 23 Ländern: sie fordern die USA auf, Kuba von der Liste der „Förderer des Terrorismus“ zu streichen. Ähnliches fordert der Appell des Ökumenischen Weltkirchenrates auf seiner Vollversammlung im vergangenen September. In dieselbe Richtung geht der Aufruf von Papst Franziskus vom Oktober 2021: „Ich möchte im Namen Gottes die mächtigen Länder bitten, Aggressionen, Blockaden und einseitige Sanktionen gegen jedes Land der Erde einzustellen. Nein zum Neokolonialismus.“
Wir als Netzwerk Cuba mit seinen fast vierzig Mitgliedsorganisationen fordern den Menschenrechtsausschuss und den Deutschen Bundestag auf, sich an die Grundsätze zu halten, die im „Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit“ (PDCA) zwischen Kuba und der EU vereinbart worden sind, und dies nicht als Interventionsinstrument im Sinne der USA und rechtsextremer Exilkubanergruppen umzuinterpretieren.
Die Hauptverantwortlichen dieses defizitären Antrages, Friedrich Merz und Alexander Dobrindt sollten sich ernsthaft an christliche Prinzipien, das Grundgesetz und das Völkerrecht halten. Ihr verzerrender, unzulänglicher Antrag ist aus den darlegten Gründen abzulehnen. Stattdessen sollten Bundestag, Bundesregierung und die EU das „Abkommen über politischen Dialog und Zusammenarbeit“ (PDCA) mit Kuba konstruktiv, fair und gleichberechtigt voranbringen und mit Leben füllen, sowie umgehend angemessene Katastrophenhilfe auch zur Beseitigung der Schäden durch den Hurrican Ian leisten.
Der Antrag der CDU/CSU hier: https://dserver.bundestag.de/btd/20/034/2003492.pdf
(dieser Kurzbericht über die Ablehnung im Ausschuss ist nicht uninteressant:)
https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-915182
(video mit inputs der Fraktionen im Plenum am 22.9.; danach wurde der Antrag an den MR-Ausschuss überwiesen)
https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw38-de-kuba-politik-909120
spanische Übersetzung: Posicion Netzwerk solicitud CDUCSU1310