Konferenz gegen Militarismus und für den Frieden in Lateinamerika und der Karibik
Die Blockade überwinden
Von Marius Weichler, Frankfurt am MainAktivisten und Solidaritätsgruppen der progressiven Bewegungen und Länder Lateinamerikas kamen am vergangenen Wochenende in Frankfurt am Main zusammen. Die unter anderem vom Netzwerk Kuba und der Friedens- und Zukunftswerkstatt veranstalte Konferenz unter dem Titel »Militarismus und Frieden in Lateinamerika und der Karibik« fand als Hybridveranstaltung statt. So war es möglich, dass neben den Anwesenden im Frankfurter Gewerkschaftshaus Teilnehmer auch per Videokonferenz dabeisein konnten. So konnten sich internationale Gäste und Referenten beteiligen. Es gab eine spanisch-deutsche Simultanübersetzung. Auch der kubanische Botschafter in Deutschland, Ramón Ripoll Díaz, war per Video zugeschaltet.
Der erste Tag der Konferenz widmete sich einer Bestandsaufnahme von Militarismus und Widerstand. Den Auftakt machte der österreichische Journalist und Friedensaktivist Leo Gabriel, der einen Überblick zur Lage in der Region gab und dabei auf die Geschichte, aktuelle Entwicklungen und Perspektiven einging. Daran schloss sich der Beitrag des Rechtswissenschaftlers Santiago Espinosa Bejerano vom Zentrum für internationale Politikforschung aus Kuba an. Den Schwerpunkt seines Vortrages bildete der Kampf gegen die hegemonialen Pläne der USA im lateinamerikanischen Raum – ein Thema, das wenig überraschend an diesem Wochenende wiederholt im Mittelpunkt stand. Kritik übte er in diesem Zusammenhang an der anhaltenden illegalen Besetzung der Guantanamo-Bucht wie auch an der andauernden Wirtschaftsblockade durch die USA.
Die Politikwissenschaftlerin Raina Zimmering ging ebenfalls auf die zunehmende Militarisierung ein, konzentrierte sich dabei allerdings auf Mexiko. Dort seien vor allem die Verbindungen zwischen Regierung und Drogenkartellen, aber auch die Zunahme von paramilitärischen Gruppen besorgniserregend. Darin agierten häufig auch Militärs. Das Ergebnis des seit 2006 andauernden »Krieges gegen die Drogen« seien 350.000 Tote und 85.000 Verschwundene. Das sind mehr Todesopfer als im Irak oder Afghanistan im gleichen Zeitraum. Deutschland als Waffenexporteur sei hier mitverantwortlich.
Die ehemalige Linke-Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel betonte, neben den USA seien auch die EU und NATO-Staaten im Kampf um Hegemonie in der Region involviert. In diesem Zusammenhang erinnerte sie daran, dass zu den Finalisten des Sacharow-Preises des EU-Parlamentes die bolivianische Putschistin und selbsternannte Interimspräsidentin Jeanine Áñez zählte.
Im Anschluss an die Auftaktvorträge kamen die Teilnehmer in Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen zusammen. Unter anderem die Rolle von Sanktionen und Blockaden, die Auseinandersetzung um den Friedensprozess in Kolumbien sowie die Rolle von USA und NATO in Lateinamerika wurden diskutiert. Der Sonntag stand unter dem Vorzeichen von Handlungsoptionen für Frieden und Befreiung. Für die venezolanische Vertreterin und jW-Autorin Julieta Daza stand dabei fest, »dass Frieden mehr als die Abwesenheit von bewaffneten Konflikten ist«. Beispielhaft steht hierfür das 2016 geschlossenen Friedensabkommen in Kolumbien. Die Guerilla FARC-EP habe ihre Waffen niedergelegt, die Gewalt werde jedoch fünf Jahre später immer noch fortgesetzt. Der Generalkonsul Venezuelas, Jimmy Chediak, betonte die schwierige Situation in seinem Land. Jedoch: »Wenn die US-Imperialisten denken, wir würden aufhören und hätten keine Freunde, dann liegen sie falsch.«
Der Friedensaktivist Reiner Braun kritisierte die NATO-Partnerschaft mit Kolumbien und Brasilien. Deutschland nehme dabei eine zentrale Rolle ein. »Die Partnerschaft wurde unter dem faschistischen Präsidenten Bolsonaro noch verstärkt«, so Braun. In einer folgenden Arbeitsphase wurde über konkrete nächste Schritte debattiert. In einem abschließend angenommenen Beschluss heißt es: »Wir werden unseren Widerstand gegen jede Form der Blockade- und Sanktionspolitik fortsetzen. Denn wir wissen: die Freiheit von Sanktionen und Subversionen und das Selbstbestimmungsrecht der Länder in Lateinamerika und der Karibik sind ein wichtiger Teil des weltweiten Ringens um Gerechtigkeit und Frieden.«
Und hier die Entschließung und die Erklärung der Konferenz (Redaktion ncn)
Entschließung der
Konferenz gegen Militarismus und für den Frieden
in Lateinamerika und der Karibik
Frankfurt/M. in Deutschland, 23./24.10.2021
Die Teilnehmenden der Konferenz „Militarismus und Frieden in Lateinamerika und der Karibik“ fordern das Ende der Blockade und der Sanktionen gegen Kuba, Venezuela und andere progressive Regierungen in Lateinamerika und der Karibik:
- Wir fordern erneut und nachdrücklich das Ende der Blockade und der Sanktionen gegen Cuba und Venezuela, weil sie eine eklatante Verletzung des Völker- und Handelsrechts darstellen. Sie verletzen die fundamentalen Menschenrechte von mehreren Millionen Bürgerinnen und Bürger in der Region. Wir verurteilen, dass die US-Regierung sämtliche Resolutionen der UN-Generalversammlung gegen die Sanktionen gegen Cuba der letzten 29 Jahre ignorieren, die mit überwältigender Mehrheit das Ende der Blockade verlangen. Blockaden und Sanktionen verletzen die Würde und Souveränität der Völker – besonders auch des Kubanischen. Sie sind wichtige Instrumente von USA und NATO, mit den Mitteln des Hungers, der Isolierung, Verzweiflung, der Erpressung und des Drucks souveränen Regierungen und den Völkern ihren imperialistischen Willen aufzuzwingen.
- Wir erheben unsere Stimme, um den andauernden unkonventionellen Krieg, die destabilisierenden und die subversiven Kampagnen zu verurteilen, welche die US-Regierung gegen das kubanische und venezolanische Volk, seine sozialistischen und progressiven Projekte sowie gegen andere fortschrittliche Regierungen der Region entfacht.
- Wir fordern die sofortige Rückgabe des illegal besetzten Territoriums mit der US-Militärbasis in Guantánamo an Cuba sowie die Beseitigung der mehr als 80 US-Militärstützpunkte in der lateinamerikanischen und karibischen Region.
Wir werden unseren Widerstand gegen jede Form der Blockade- und Sanktionspolitik fortsetzen. Denn wir wissen: die Freiheit vor Sanktionen und Subversionen und das Selbstbestimmungsrecht der Länder in Lateinamerika und der Karibik sind ein wichtiger Teil des weltweiten Ringens um Gerechtigkeit und Frieden.
Erklärung des Kongresses:
Militarismus und Frieden in Lateinamerika und der Karibik
Der NATO-Gipfel in Brüssel am 21. und 22.10. 2021 hat erneut die Rolle der NATO als DIE globale Militärallianz unterstrichen. Dabei spielen Lateinamerika/Zentralamerika/Karibik eine wichtige Rolle.
Lateinamerika ist seit dem NATO-Gipfel in Wales 2014 und der US-Politik seit 2009 ein wichtiger Teil des Militarisierungs- und Aufrüstungstrends in der Welt.
Kernpunkte dieser Militarisierung der lateinamerikanischen Region sind:
• Partnerschaftsabkommen der NATO mit Kolumbien und Brasilien als „globale Partner“.
• Ausbau der US-Militärbasen u.a. in Peru, Kolumbien, Honduras, Costa Rica, Chile, Paraguay und Guantanamo auf Kuba; Militärstützpunkte Großbritanniens, Frankreichs und der Niederlande in der Region.
• Nutzung der militärischen Infrastruktur anderer lateinamerikanischer Länder (u.a. Ecuador, Galapagos Inseln).
• Aufbau neuer Militärbasen in Kolumbien, Guayana und auf den ABC-Inseln.
• Zunahme von Militärmanövern von US- und NATO-Truppen in Kolumbien, Brasilien und vor den Küsten des als „Paria“ definierten Venezuela.
• CIA finanzierte Söldnereinsätze in und gegen Venezuela sowie Unterstützung von Terroranschlägen.
• Kontinuierliche Ausbildung von lateinamerikanischen Militärs in den USA, in anderen NATO-Ländern oder durch lateinamerikanische Stellvertreter.
• Wachsende Waffenexporte westlicher Staaten nach Lateinamerika.
• Ausübung von Regierungsfunktionen und Wirtschaftsmacht durch hohe Militärs in vielen Staaten.
• Zunehmende Unterordnung ziviler Aufgaben unter militärische Führung (Bekämpfung der Drogenmafia, der Oppositions- und emanzipatorischen Bewegungen und Coronapolitik).
• Sanktions- und Blockadepolitik gegen Venezuela, Kuba und Nikaragua mit desaströsen Folgen.
• Zusammenarbeit des Militärs mit paramilitärischen Gruppen, dem organisierten Verbrechen und mit transnationalen Unternehmen.
- Permanente Versuche einer „Regime Change“ Politik besonders durch die USA gegen progressive und linke Regierungen.
Wir sagen Nein zu dieser umfassenden Militarisierung.
Militarismus beinhaltet Gewalt gegen Migrantinnen und Migranten, permanente Zerstörung von Umwelt und ökologische Vielfalt durch Militär, Unterdrückung und Vertreibung indigener Bevölkerungen durch Militär, Polizei und Paramilitär.
Unsere Alternative ist Frieden, Abrüstung und Solidarität und ein Nein zur NATO.
- Wir fordern ein Ende aller ausländischen Militärbasen, besonders der Folterhölle von Guantanamo
- Wir fordern die Rückkehr zu einer wirklichen Friedens- und Versöhnungspolitik in Kolumbien und eine umfassende Umsetzung des Friedensabkommens.
- Wir begrüßen die Friedenspolitik nicht nur der vielfältigen sozialen Bewegungen sondern auch der progressiven Regierungen Lateinamerika u.a. im Rahmen der UN, besonders auch die wachsende Anzahl von Ratifizierungen des Atomwaffenverbotsvertrages (TPNW) und des Vertrages von Tlatelolco für eine Kernwaffenfreie Zone.
- Wir begrüßen die Proklamation „Zone des Friedens“ der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) in Havanna.
- Wir fordern ein Ende aller Rüstungsexporte und Polizeikooperationen/abkommen
- Wir fordern ein Ende aller Sanktionen
Wir fordern eine grundlegende Wende in der Friedens-, Handels-, „Entwicklungs-“, Finanz- und Wirtschaftspolitik. Dafür werden wir weiter aktiv wirken und fordern dieses von der Politik!
Wir sehen einen engen Zusammenhang zwischen Massenprotesten der Bevölkerung, einer progressiven politische Wende und einer unabhängigen und friedlichen Politik.
Dieser Politik des Friedens, der gemeinsamen Sicherheit, der Abrüstung gilt unsere Solidarität und Unterstützung.
Umfassender Frieden ist ohne Gerechtigkeit, ohne die Überwindung von Hunger und Armut nicht denkbar.
Deswegen sagen wir auch entschieden Nein zur EU-Militarisierung und der aggressiven Politik der EU und des EU-Parlaments gegen Kuba und Venezuela.
Solidarität ist die Grundlage politischer Erfolge der Friedens- und Solidaritätsbewegungen und sowie der linken Kräfte in Lateinamerika und in Europa – sie ist unser politischer und moralischer Kompass!
Frankfurt am Main, den 24.10.2021