Gewalt in Kuba oder in den sozialen Netzwerken der Kubaner in den USA?
Von Miguel Fernández Martínez, Sputnik – 27. Juli 2021 / Übersetzung: Volker Hermsdorf
Havanna, 27. Juli (Sputnik) – Die Gewalt gegen die kubanische Regierung erwacht erneut, und zwar nicht auf den Straßen Kubas, wo nach den Protesten vom 11. Juli Ruhe herrscht, trotz der Versuche und Aufrufe in den »sozialen Netzwerken« aus dem Ausland, die Proteste an den Orten auf der Insel »am Leben zu erhalten«, wo tatsächlich Ruhe in der Bevölkerung herrscht.
Wieder einmal haben die radikalsten Elemente unter den kubanischen Emigranten in verschiedenen Ländern den Wunsch geäußert, die Regierung »aus der Ferne« zu stürzen, und sind dabei sogar so weit gegangen, dass sie Gewalttaten verübten, die in Havanna als »terroristisch« bezeichnet werden, wie der Angriff auf die Botschaft in Frankreich am vergangenen Montag.
Der bisher bedeutendste Fall ereignete sich am Montag um Mitternacht, als drei Molotow-Cocktails auf die diplomatische Vertretung Kubas in Paris geworfen wurden und einen Brand im Gebäude verursachten, wobei es aber keine Verletzten gab.
Obwohl sich bisher noch keine Gruppe zu dem Anschlag bekannt hat, bekundete die europäische Vereinigung »Cuba Libre«, die sich aus kubanischen Emigranten in Frankreich zusammensetzt, die die kubanische Revolution ablehnen, in »sozialen Netzwerken« ihre »Unterstützung« für den Vandalismus.
Weitere Berichte kommen aus Panama, Ecuador, der Dominikanischen Republik, Spanien und den Vereinigten Staaten, wo Proteste mit Slogans gegen die Regierung und ihre Spitzenpolitiker auf die Straße getragen wurden. In vielen Fällen wurden die Demonstranten von Gruppen gestellt, die sich mit der Insel solidarisieren und alle die Versuche zurückweisen, die durch die Aggressivität der Demonstranten gekennzeichnet sind.
Bei den »Protesten« gegen Kuba in den USA und in Spanien wurden die Demonstranten laut Medienberichten in diesen Ländern von US-Kongressabgeordneten und Politikern unterstützt, von denen einige kubanischer Abstammung sind (wie zum Beispiel in Washington) und von Vertretern der Volkspartei (Partido Popular) und von (der rechtsextremen Partei) Vox (wie im Fall der Demonstrationen in Madrid).
Propagandamaschine
Die kubanische Regierung weist darauf hin, dass dies alles Teil eines Plans ist, der von den USA entwickelt wurde, um eine Krise auf der Insel auszulösen, die innere Ordnung zu untergraben, die Gesellschaft zu destabilisieren und – von politischem und wirtschaftlichem Druck bis hin zur Verwendung von Fake News – einen internationalen »Konsens« zu erreichen, der es ermöglichen soll, Kuba »auf die Anklagebank« zu setzen.
»Die Frustration zwingt die Lügenerzähler aus den USA, eine virtuelle Realität zu erfinden, an die nicht einmal sie selbst glauben. In Kuba herrscht Frieden, trotz der Provokationen der üblichen Unruhestifter. Angesichts des Medienterrorismus ist der Wert der Wahrheit hoch zu bewerten«, erklärte Rogelio Polanco, Mitglied des Sekretariats der Kommunistischen Partei Kubas, am Montag.
Havanna hat angeprangert, dass die gewalttätigen Ereignisse (vom 11. Juli), die von internationalen Medien manipuliert wurden, der Weltöffentlichkeit als »friedliche Demonstrationen« und »spontan«, ja sogar als »soziale Explosion« dargestellt werden.
Doch den Beweisen und den Anschuldigungen der kubanischen Regierung zufolge deuten diese Ereignisse auf ein weiteres Kapitel unkonventioneller Kriegsführung hin, die auch als »hybride Kriegsführung«*, »farbige Revolutionen«, »Kriegsführung der vierten Generation«, »sanfter Staatsstreich« oder »weicher Staatsstreich« bezeichnet wird und Teil eines Handbuchs ist, das Washington in mehreren Ländern Osteuropas, des Nahen Ostens und Lateinamerikas anwendet.
Laut kubanischen politischen Analysten, die von Sputnik konsultiert wurden, ist die Variante des sanften Staatsstreichs gegen Kuba »derjenigen sehr ähnlich, die 2019 gegen Bolivien eingesetzt wurde und gegen den Iran angewandt wird«.
»Cyberangriffe, Destabilisierungskampagnen über die Netze, Organisation und Zusammenkunft von Randgruppen ohne offensichtliche Verbindung zwischen ihnen, die von „Aktivisten“, die Mitglieder konterrevolutionärer Gruppen sind, bezahlt und angeführt werden«, erklärte der Analyst Raúl Capote vor einigen Tagen gegenüber dieser Agentur.
Sputnik sprach kurz auch mit Eutelio García, einem 83-jährigen bekennenden Verteidiger der kubanischen Revolution, der diejenigen, die aus dem Ausland zu gewaltsamen Protesten anstiften, als »Feiglinge und Manipulatoren« bezeichnete.
»Die meisten von denen, die jetzt im Internet wie Löwen brüllen, verhielten sich wie zahme Kaninchen, als sie in Kuba lebten. Sie haben hier nie ihre Stimme erhoben, um irgendetwas zu kritisieren, geschweige denn zu protestieren, und jetzt sind sie die aggressivsten«, betonte García.
»Aber ihre Hosen sind zu voll, um den wahren Menschen in Kuba gegenüberzutreten, den Menschen, die auf dieser Insel leben und nicht aufgeben«, betonte der Veteran.
Demonstrationen in Kuba?
»Während die kubanischen Annexionisten versuchen, (US-Präsident Joe) Biden im Weißen Haus davon zu überzeugen, militärisch in Kuba zu intervenieren, bombardieren die Giftlabors die Netzwerke mit Lügen. Die Straßen sind ruhig«, schrieb die Website Dominio Cuba auf Twitter.
Die Arbeit der so genannten kubanischen »Influencer«, die in den USA leben und von der US-Regierung unterstützt werden, ist für den digitalen Krieg gegen die Insel von großer Bedeutung: Verbreitung von Falschnachrichten, Manipulation und Dekontextualisierung von Bildern sowie der ständige Aufruf zum Krieg.
Selbst wenn auf den kubanischen Straßen nachweislich Frieden und Ruhe herrschen, schüren diese virtuellen Betreiber aus den USA und Europa weiterhin den »Aufruhr«, indem sie vermeintliche Bilder von Unruhen zeigen und die Anhänger der Regierung in den sozialen Netzwerken mit Beleidigungen und Drohungen attackieren.
Eine der Aktionen, die die Mehrheit der auf der Insel lebenden Kubaner am meisten abstößt, ist die Forderung dieser Elemente nach einer militärischen Intervention der US-Regierung, eine Option, die sogar von Personen abgelehnt wird, die sich selbst nicht als Revolutionäre bezeichnen.
Die OAS mischt sich ein
Zu den jüngsten Maßnahmen der USA gehört – nach Angaben der kubanischen Behörden – die Aufforderung an die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), sich nach den Protesten vom 11. Juli »mit der Situation in Kuba zu befassen«, eine Aufforderung, die der kubanische Präsident »beschämend« nannte, nachdem er dieses regionale Gremium als eine diskreditierte Einrichtung der Yankee-Kolonien (…) bezeichnet hatte, das seine traurige Rolle als Lakai spielen soll.
Kuba hat seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, das vor 60 Jahren begonnene sozialistische Gesellschaftsprojekt zu verteidigen, und die USA bekräftigen ihre Absicht, die kubanische Revolution zu stürzen, wobei sie erneut einige Exilanten als Speerspitze für ihre Bemühungen nutzen.
Internationale Solidarität
Inmitten all dieser politischen Turbulenzen hält die internationale Gemeinschaft ihre Solidarität mit der Insel aufrecht, wie auf dem letzten Treffen der Außenminister der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CELAC) am 24. Juli in Mexiko bekräftigt wurde, wo der gastgebende Präsident Andrés Manuel López Obrador den Widerstand Kubas gegen die Destabilisierungsversuche der USA als beispielhaft hervorhob.
In seinen Worten erkannte der mexikanische Präsident an, dass Kuba »das Land ist, das mehr als ein halbes Jahrhundert lang seine Unabhängigkeit behauptet und sich politisch mit den Vereinigten Staaten auseinandergesetzt hat; wir mögen mit der kubanischen Revolution einverstanden sein oder nicht, aber 62 Jahre lang ohne Unterwerfung widerstanden zu haben, ist eine große Leistung«.
López Obrador schlug vor, dass Kuba »es verdient, zum Weltkulturerbe erklärt zu werden« und bezeichnete es als »neues Numantia ** für sein Beispiel des Widerstands».
Quelle:
Gewalt in Kuba oder in den sozialen Netzwerken der Kubaner in den USA
Anmerkungen des Übersetzers:
* Der Hybridkrieg oder die hybride Kriegführung beschreibt eine flexible Mischform der offen und verdeckt zur Anwendung gebrachten regulären und irregulären, symmetrischen und asymmetrischen, militärischen und nicht-militärischen Konfliktmittel mit dem Zweck, die Schwelle zwischen den völkerrechtlich angelegten binären Zuständen Krieg und Frieden zu verwischen. Die Grenze zu der nach den Genfer Konventionen verbotenen Heimtücke (Perfidieverbot) ist fließend.
** Numantia (spanisch Numancia) war die Hauptstadt der Keltiberer im Norden der Iberischen Halbinsel. Während der iberischen Kriege (154–133 v.u.Z.) zwischen Rom und den Keltiberern war die Stadt ein stark befestigtes Widerstandszentrum. Spaniens Nationaldichter Miguel de Cervantes betonte in seinem Stück »Die Zerstörung von Numantia« den Symbolcharakter der numantinischen Heldentat, deren Darstellung fortan immer dann aufgegriffen wurde, wenn es darum ging, den heroischen Widerstand gegen den Feind oder die Freiheitsideale eines Volkes heraus zu stellen.