Wege zum guten Leben
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Herausforderungen der Dekolonialisierung: Treffen sozialer Bewegungen in Guatemala
Von Thorben Austen, Sacatepéquez
Vertreter sozialer Bewegungen aus Lateinamerika haben in Guatemala in der vergangenen Woche von Mittwoch bis Freitag über Herausforderungen der Dekolonialisierung und Wege zum »Buen Vivir« (das gute Leben) diskutiert. Eingeladen hatte das Netzwerk »Abya Yala Soberana«. Die Bezeichnung Abya Yala als vorkolonialer Name für Lateinamerika stammt aus der Sprache des indigenen Kuna-Volkes aus Panama und Nordkolumbien und hat sich unter indigenen und sozialen Bewegungen in Lateinamerika etabliert.
Für das Gastgeberland Guatemala hatte die Landarbeiterorganisation Comité de Desarrollo Campesino (Codeca) als Teil des Netzwerkes die organisatorische Arbeit übernommen, insgesamt fanden Vertreter aus 14 lateinamerikanischen Ländern, der US-Kolonie Puerto Rico und dem Baskenland den Weg in das kleine Departamento Sacatepéquez vor den Toren der Hauptstadt Ciudad de Guatemala. Stark vertreten war das Nachbarland Honduras mit verschiedenen Organisationen, ferner waren Repräsentanten des indigenen Volkes der Mapuche aus Chile und Argentinien sowie weitere indigene Organisationen aus verschiedenen Ländern anwesend.
Allerdings konnten nicht alle Eingeladenen teilnehmen. Der gesamten Delegation aus Venezuela sowie Teilen der Delegationen aus Ecuador und Bolivien wurde von den guatemaltekischen Behörden das nötige Einreisevisum verweigert, erklärt Leiria Vay von der nationalen Leitung von Codeca.
Mauro Vay Gonón, Generalkoordinator von Codeca, begrüßte die gut 100 Teilnehmer und benannte in seiner kurzen Ansprache den »US-Imperialismus als gemeinsamen Feind der Völker«. Leiria Vay ging auf die Geschichte des Netzwerkes Abya Yala Soberana ein. 2019 habe es erste Kontaktaufnahmen gegeben, pandemiebedingt dann bald überwiegend online. Im vergangenen Jahr gab es ein erstes Treffen des Netzwerkes ebenfalls in Guatemala, allerdings mit weniger Teilnehmern.
Das straff gestaltete Programm umfasste an den drei Tagen mehrere Podiumsdiskussionen und Arbeitsgruppen. In der Diskussionsrunde »Das gute Leben als Horizont für Abya Yala« schilderte Ancizar Majin vom Regionalen indigenen Rat von Cauca (CRIC) aus Kolumbien anschaulich das Konzept einer »eigenen Regierung der indigenen Völker« im Departamento Cauca im Südwesten Kolumbiens. Den neuen linken Präsidenten Gustavo Petro sah Majin positiv. »Petro ist kein Indigener, wir gehen aber davon aus, dass er den Prozess der Selbstverwaltung unterstützen und weiterentwickeln wird.«
Der dritte und letzte Veranstaltungstag begann mit einem Forum von Vertreterinnen von Frauenorganisationen aus sieben Ländern. Rocio Florencia Julián von der indigenen Frauenorganisation Red Chacha Warmi aus Argentinien schilderte in einem emotionalen Vortrag die Schwierigkeiten für indigene Frauenorganisationen in einem Land, das in Lateinamerika allgemein als »weißes« Land gelte.
Das Abschlussplenum wurde von Ronaldo Ortiz von der Nationalen Front zur Verteidigung ökonomischer und sozialer Rechte (Frenadeso) aus Panama eröffnet. In seinem kurzen, aber konkreten Vortrag plädierte er für die Weiterentwicklung der Klassenkämpfe und dafür, sie auch so zu nennen. Alle sozialen Konflikte »sind im Kern Klassenauseinandersetzungen, Konflikte zwischen Proletariern und Kapitalisten« – eine Wortwahl, die sonst an den drei Tagen eher selten zu hören war.
Marco Caballero, Vizekonsul der plurinationalen Republik Bolivien in Chile, ging auf die aktuelle Situation in seinem Land ein. Die derzeitigen Straßenblockaden und Separationsbestrebungen der Rechten aus dem Tiefland beinhalteten wieder »die Gefahr eines Putsches« gegen die linke Regierung. Die wirtschaftliche Lage in Bolivien sah er dagegen positiv, unser Wirtschaftswachstum »sei stabil«, betonte Caballero.
Im Vortrag von Franklin Eleuterio Columba aus Ecuador kam das teilweise angespannte Verhältnis indigener Bewegungen zur politischen Linken zum Ausdruck. Die amtierende Regierung in Ecuador charakterisierte Columba als »rechtsradikal« und »neoliberal«, allerdings akzeptierten auch Teile der ecuadorianischen Linken die indigenen Ideen nicht oder versuchten, der indigenen Bewegung ihre Ideen »überzustülpen«.
Den Abschluss besorgte Bety Florian für die gastgebende Codeca. 2018 war von der 1992 gegründeten Organisation die Partei »Movimiento Para La Liberacion de los Pueblos« (MLP) als »politisches Instrument« gegründet worden. Auf Anhieb landete sie bei den Präsidentschaftswahlen mit mehr als zehn Prozent den vierten Platz. In den abschließenden Wortmeldungen versicherten verschiedene Teilnehmer der MLP ihre Solidarität bei den Wahlen 2023.