Washington vor Gericht
»Das Tribunal soll diese illegale und unmenschliche Politik anprangern und die Antiblockadebewegung in Europa und den USA stärken. Wir sind zuversichtlich, dass diese Aktion dazu beitragen wird, der Verteidigung der demokratischen Rechte, der Souveränität und der Freiheit der Völker mehr Gehör zu verschaffen«, heißt es im Aufruf zum Tribunal, der unter anderem von der Internationalen Vereinigung demokratischer Juristen, der Linksfraktion im Europäischen Parlament (GUE/NGL), der Partei der Europäischen Linken, mehreren europäischen Gewerkschaften, der Nationalen Anwaltsvereinigung (National Lawyers Guild) der USA sowie europäischen und US-amerikanischen Kuba-Solidaritätsorganisationen unterzeichnet wurde. Dem Aufruf zufolge soll das Tribunal die USA für ihre Verbrechen gegen das kubanische Volk vor der Weltöffentlichkeit anklagen.
Die US-Regierung hatte bereits am 6. April 1960 als Ziel ihrer ersten Sanktionen »das Provozieren von Enttäuschung und Entmutigung durch wirtschaftliche Not« in Kuba vorgegeben. Wörtlich hieß es in einem von Staatssekretär Lester D. Mallory an jenem Tag vorgelegten Memorandum, eine Blockade könne »das Wirtschaftsleben Kubas schwächen und dem Land Geld und Versorgung rauben, um (…) Hunger, Verzweiflung und den Sturz der Regierung hervorzurufen«. Seit 1992 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen bereits 30 Resolutionen verabschiedet, in denen die sofortige Beendigung der US-Strafmaßnahmen gefordert wurde. Doch Washington hat die Sanktionen gegen Kuba – entgegen den Forderungen der internationalen Staatengemeinschaft – nicht nur aufrechterhalten, sondern sie bis heute ständig verschärft.
In einem Gespräch mit der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina forderte der spanische Europaabgeordnete Manuel Pineda Marín (GUE/NGL) auch das EU-Parlament und den Internationalen Gerichtshof (IGH) auf, aktiv zu werden. Diese Institutionen dürften sich nicht in den Dienst der Reaktion stellen, erklärte er. »Erinnern wir uns daran, dass die Europäische Union die Blockade formell ablehnt und dass alle ihre Mitgliedsländer jedes Jahr in der UN-Vollversammlung für deren Beendigung stimmen«, betonte der Abgeordnete. Es sei deshalb jetzt endlich notwendig, das, was offensichtlich ein Verbrechen ist, auch rechtlich so zu behandeln.
»Und ein Verbrechen muss verurteilt werden«, so Pineda.
Windelweiche Worte
Während Boric die Unterstützung des faschistischen Putsches durch die USA und dessen Ursachen nicht erwähnte, wurden andere Redner deutlicher. »Wir missbilligen jede Art von Angriffen auf die Demokratie, nicht nur bei Staatsstreichen wie diesem, sondern auch bei der modernen Art durch Parlamente, die Justiz und andere Organe«, erklärte Boliviens Präsident Luis Arce in Anspielung auf den 2019 von Washington geförderten Staatsstreich gegen den gewählten Präsidenten Evo Morales in seinem Land. Wie die mexikanische Tageszeitung La Jornada berichtete, dankten peruanische Frauen am Rande der Veranstaltung Mexikos Präsidenten Andrés Manuel López Obrador »für seinen Einsatz für die Demokratie in Peru«. López Obrador hatte den Putsch gegen das gewählte dortige Staatsoberhaupt Pedro Castillo wiederholt scharf verurteilt.
In einer bewegenden Rede erinnerte Isabel Allende, die heute 81jährige Tochter des am 11. September 1973 gestürzten Präsidenten, an die Erfolge der Unidad Popular, deren Sozialprogramme und die Verstaatlichung nationaler Ressourcen, die unter anderem der Grund für die Organisation des Putsches durch die US-Regierung waren. Sie dankte vor allem Mexiko und Kuba dafür, dass sie ihrer Familie nach dem Tod ihres Vaters Asyl gewährt hatten. »Zusammen mit Tausenden von Exilanten bekräftigen wir unsere lebenslange Dankbarkeit«, sagte Allende. Boric hatte allerdings weder Vertreter Kubas noch Russlands zur Gedenkfeier eingeladen. Sowohl die sozialistische Inselrepublik als auch die Sowjetunion hatten Tausenden Verfolgten Schutz gewährt. Dafür waren Repräsentanten der BRD geladen, obwohl deren Geheimdienst BND und das Auswärtige Amt die Putschisten seinerzeit unterstützt hatten.
Trotz dieses peinlichen Affronts erklärte Moskaus Außenminister Sergej Lawrow in einem Gastbeitrag für die russische Tageszeitung Rossiskaja Gaseta am Montag, er hoffe, dass sich die russisch-chilenischen Beziehungen entwickeln werden, »unabhängig von aktuellen Tendenzen, die einzelne chilenische Politiker an den Tag legen«. Die destruktiven Maßnahmen zur Vorbereitung des Putsches gegen Allende entsprächen »einer Art Schablone, die Washington auch heute noch gegen souveräne Regierungen auf der ganzen Welt« einsetze, mahnte der Diplomat. Pablo Sepúlveda Allende, ein Enkel des sozialistischen Präsidenten, teilt die Einschätzung. In einem von RT veröffentlichten Gespräch mit Ecuadors ehemaligem Staatschef Rafael Correa wies er darauf hin, dass der Putsch systematisch durch US-amerikanische Wirtschaftssabotage vorbereitet worden sei. Unter Pinochet sei Chile dann »zum wichtigsten neoliberalen Experiment der Welt« geworden, »in dem sogar das Wasser privatisiert wurde«. Leider habe die von seinem Großvater mitbegründete Sozialistische Partei heute »viele ihrer Prinzipien aufgegeben und viel von Allendes Erbe verraten«, bedauert dessen Enkel.
Worte und Taten (Anzeige)
Bei der in wenigen Tagen stattfindenden Abstimmung über das Ende der US-Blockade gegen Cuba wird in der UNO erneut die große Mehrheit aller Staaten für den cubanischen Antrag sein: Der Wirtschaftskrieg gegen die Insel muss aufhören! Und wie bereits seit 1992 werden sich die USA über das Ergebnis hinweg- setzen: Maßlose Arroganz und zynische Machtpolitik charakte- risieren diesen „Weltmeister“ der Menschenrechte.
Unsere Aufgabe muss es sein, den öffentlichen Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen: Während sie in der UNO gegen die Blockade votiert, verweigern deutsche Banken Geldüberwei- sungen nach Cuba. Der Handel mit Cuba wird behindert. Die Liste der Verstöße gegen deutsches und EU-Recht wird immer länger und die Politiker sehen tatenlos zu, wie auf den von ihnen ehemals beschlossenen Gesetzen herumgetrampelt wird. Nicht an ihren schönen Worten, sondern an ihren Taten sollen sie von uns bemessen werden!