Ortega ist Favorit
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Vor den Wahlen in Nicaragua: Präsident und Sandinisten genießen breite Zustimmung
Von Volker Hermsdorf
Zwei Wochen vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Nicaragua zeichnet sich eine Zustimmung von knapp zwei Dritteln der Wahlberechtigten für die regierende Sandinistische Nationale Befreiungsfront (Frente Sandinista de Liberación Nacional, FSLN) ab. In der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes M&R Consultores erklärten 63,9 Prozent der Befragten, die FSLN zu wählen und deren Spitzenkandidaten, Präsident Daniel Ortega. Die mehrheitlich rechtskonservativen Oppositionsparteien sind zerstritten und mit einer Unterstützung von insgesamt nur 13 Prozent chancenlos. Selbst wenn 23,2 Prozent derzeit noch unentschiedene Wähler geschlossen für die Opposition stimmen sollten, dürften Ortega und die FSLN das Land weitere fünf Jahre lang regieren können.
Für den 7. November sind rund 4,5 der 6,5 Millionen Einwohner des mittelamerikanischen Landes aufgerufen, den Präsidenten, seinen Stellvertreter und die 92 Abgeordneten des nationalen Parlaments sowie die 20 Vertreter des Landes für das Zentralamerikanische Parlament (Parlacen) zu wählen. Um die Mandate in der Nationalversammlung bewerben sich neben der FSLN und der liberal-konservativen Partido Liberal Constitucionalista (PLC) auch die Unabhängige Liberale Partei (PLI), die Nicaraguanische Liberale Allianz (ALN), der Christliche Weg Nicaraguas (CCN), die Allianz für die Republik (Apre) und die Partei »Yapti Tasba Masraka Nanih Aslatakanka« (Yatama). Letztere, deren Name in der Sprache des Miskito-Volkes »Kinder der Mutter Erde« bedeutet, wird nur an den Wahlen für die Abgeordneten in zwei autonomen Regionen der Karibikküste teilnehmen.
Die Oppositionspartei CxL war auf Antrag der PLC, die der Konkurrentin Verstöße gegen das Wahlgesetz vorgeworfen hatte, ausgeschlossen worden. In den vergangenen Monaten hatte es auch Kontroversen um die Verhaftung einzelner Politiker gegeben, die sich um eine Kandidatur für verschiedenen Oppositionsparteien bewerben wollten. Gegen einige der Inhaftierten wird wegen Geldwäsche ermittelt. Andere hatten zur Verschärfung ausländischer Sanktionen gegen das Land aufgerufen und damit gegen geltende Gesetze verstoßen. Auch die Finanzierung von Parteien aus dem Ausland ist nach den Wahlgesetzen untersagt.
Die seit einem Tiefststand im Dezember 2019 um rund 18 Prozentpunkte gestiegene Unterstützung für die FSLN dürfte nach Einschätzung von Beobachtern vor allem mit deren erfolgreicher Wirtschafts- und Sozialpolitik zusammenhängen. Vor einer Woche bekräftigte das Finanzministerium eine Wachstumsprognose von rund sieben Prozent für das laufende Jahr. Trotz der Pandemie könne damit an den erfolgreichen Zeitraum von 2007 bis 2017 angeknüpft werden, der »mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von über fünf Prozent das beste Jahrzehnt in der Geschichte des Landes und nur durch den gescheiterten Putschversuch zwischen April und Juli 2018 unterbrochen worden war«. Im Vergleich zu Nachbarländern haben Maßnahmen der sandinistischen Regierung die Folgen der Pandemie für die Bevölkerung in Nicaragua zudem besser abfedern können. Dazu gehört auch ein »Nationaler Plan zur Bekämpfung der Armut« in den Jahren 2022 bis 2026.
Trotz der Unterstützung der FSLN durch die Bevölkerungsmehrheit verabschiedete die von Washington dominierte Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) am Mittwoch vergangener Woche eine von den USA initiierte Resolution, in der »eine sofortige Lösung der Krise des Ortega-Regimes« gefordert wird. Der Regierung wird vorgeworfen, die »Durchführung freier und fairer Wahlen« zu behindern.