Wie kommen die Ermittlungen zu den Tätern, Anstiftern und Geldgebern der jüngsten Ausschreitungen in Kuba voran?
Ab ca. 02’10“: Videos, die einige Beispiele für aggressive Aktionen und Vandalismus von
einigen kleineren Gruppen mit wenigen Beteiligten (allerdings z.T. auch in Begleitung von Kindern), zeigen. Darunter Steinwürfe auf Ordnungskräfte und andere Personen, Zerstörung von Polizeifahrzeugen, zivilen Motorrädern, Plünderungen, usw.
Vorstellung der Studiogäste:
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Oberst Moraima Bravet Garóalo, Leiter der Generaldirektion für kriminalpolizeiliche Ermittlungen des Innenministeriums.
(Coronel Moraima Bravet Garóalo, Jefa de la dirrección general de investigación criminal del Minint)
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Staatsanwältin Lisnay Mederos Torres, Leiterin der Direktion für Strafverfahren der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Kuba.
(Lisnay Mederos Torres, fiscal, jefa de la dirreción de procesos penales. Fiscalia general de la república)
Ab ca. 04’30“: Lisnay Mederos erklärt, dass die in den Videos gezeigten Handlungen Straftaten sind und die gesetzliche Verpflichtung besteht, diese zu verfolgen und die Täter zu bestrafen.
Ab ca. 05’00“: Moraima Bravet ergänzt, dass ihre Behörde die Aufgabe hat die Personen zu ermitteln, die Straftaten begangen haben. Dazu gehöre auch die Klärung der Hintergründe, Verbindungen und Motive der Täter auf der Basis der Gesetze des Landes.
Ab ca. 06’20“: Lisnay Mederos weist darauf hin, dass ihre Behörde unter anderem die Ermittlungsarbeit von Polizei und Einrichtungen des Innenministeriums auf Rechtsstattlichkeit und gesetzeskonforme Abläufe kontrolliert.
Ab ca. 06’50“: Auf die Frage des Moderators antwortet Moraima Bravet, dass »selbstverständlich« Festnahmen erfolgt sind, da ja durch zahlreiche Zeugen und Videos dokumentiert sei, dass Gewalttaten gegen Sachen und Personen, Zerstörungen und Akte von Vandalismus erfolgt seien. Die daran beteiligten Personen, die auf frischer Tat ertappt wurden und festgenommen werden konnten, seien inhaftiert.
Sie führt weiter aus, dass es darüberhinaus andere Personengruppen gebe, wo die Art ihrer Beteiligung geklärt werden müsse, ob sie nur anwesend oder auch aktiv beteiligt waren, z.B. als Anstifter, Organisatoren oder finanzielle Unterstützer. Die Ermittlungen dazu stünden erst am Anfang. Es sei aber bekannt, dass vieler der strafbaren Handlungen aus noch zu klärenden Quellen finanziert worden seien, um Chaos zu verbreiten und das Land zu destabilisieren. »Was wir gesehen haben, ist nicht das seit der Revolution existierende Kuba, dessen Bürger in Sicherheit leben. Das, was wir gesehen haben, entspricht auch nicht der Realität unseres Landes«, sagt sie.
Ab ca. 08’20“: Auf Nachfrage des Moderators, ob alle, die an den Protesten am Sonntag und danach beteiligt waren, mit ihrer Festnahme rechnen müssen oder nur diejenigen, die strafbare Handlungen begangen haben, antwortet Lisnay Mederos, dass genau dies eine der Kontrollaufgaben ihrer Behörde sei, die Art der individuellen Beteiligung jeder einzelnen Person sicherzustellen. Sie verweist dazu auf Artikel 18 des kubanischen Strafgesetzbuches, der in der Fernsehsendung parallel dazu (ab 09’20“) eingeblendet wird.
Strafgesetzbuch, Artikel 18 lautet (inoffizielle, sinngemäße Übersetzung):
1. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit gilt für Täter und Mittäter (Komplizen).
2. Als Täter betrachtet werden:
a) diejenigen, die die Handlung selbst ausführen;
b) diejenigen, die den Plan der Straftat und ihre Ausführung organisieren;
c) diejenigen, die eine andere strafrechtlich verantwortliche Person dazu veranlassen, eine Straftat zu begehen;
ch) diejenigen, die an der Begehung der Straftat durch Handlungen mitwirken, ohne die die Straftat nicht hätte begangen werden können;
d) derjenige, der die Tat durch einen anderen ausführt, der nicht der Täter ist oder nicht strafrechtlich verantwortlich ist, oder der für die Tat nicht strafrechtlich verantwortlich ist, weil er unter Gewalt oder Zwang oder aufgrund eines Irrtums, zu dem er veranlasst wurde, gehandelt hat.
3. Komplizen sind
a) diejenigen, die einen anderen dazu ermutigen, in seiner Absicht ermutigen, eine Straftat zu begehen;
b) diejenigen, die Informationen oder Mittel zur Verfügung stellen oder erleichtern oder Ratschläge zur bestmöglichen Ausführung der strafbaren Handlung erteilen;
c) derjenige, der vor der Begehung der Straftat dem Täter verspricht, diese zu verheimlichen, die hinterlassenen Spuren zu beseitigen oder die erlangten Gegenstände zu verbergen;
ch) diejenigen, die, ohne Täter zu sein, in sonstiger Weise an der Ausführung der Straftat mitwirken.
4. Bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder die Menschenwürde oder die kollektive Gesundheit oder bei solchen, die in internationalen Verträgen vorgesehen sind, gelten alle strafrechtlich Verantwortlichen als Täter, unabhängig von der Form ihrer Beteiligung.
Ab ca. 10’30“: Moraima Bravet geht die Vorwürfe einer großen Zahl von Verhaftungen ein. Sie sagt, dass von einigen Akteuren und Medien behauptet worden sei, die Demonstrationen seien friedlich , gewaltlos und pazifistisch gewesen. Tatsächlich gebe es zahlreiche Beweise für äußerst gewalttätige Ausschreitungen. Mehrere Täter seien mit Steinen, Molotow-Coctails und Macheten bewaffnet gewesen. Sie versicherte, dass die Mehrheit der bislang verhafteten Personen keine Leute seien, die friedlich ihr Recht auf Protest gegen irgendetwas in Anspruch genommen haben, sondern Gewalttaten begangen haben. Etliche davon seien früher bereits wegen verschiedener Delikte, wie Gewalttaten, Raub, Bedrohung, Nötigung, schwerer Körperverletzung, familiärer Gewalt mit dem Gesetz in Konflikt gekommen und mehrfach vorbestraft (Sie führt dazu mehrere konkrete Beispiele an). Eine Reihe der an den aktuellen Gesetzesverstößen beteiligten seien, als sie die vermeintlichen neuen Straftaten begangen, unter Bewährungsauflagen vorzeitig auf freien Fuss gesetzt worden. Natürlich müsse die Bewährung für Personen, die zum Beispiel wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt worden waren, jetzt widerrufen werden.
Ab ca. 13’20“: Der Moderator und Lisnay Mederos weisen auf die in Art. 94 und Art. 95 der kubanischen Verfassung garantierte Rechtssicherheit für alle Kubanerinnen und Kubaner, einschließlich der Verhafteten, (u.a. Unschuldsvermutung, Recht auf Anwalt und fairen Prozess, Rechts auf Berufung nach Verurteilung) hin.
Ab ca. 15’15“: Der Moderator geht auf Meldungen ausländischer Medien ein, dass in Kuba Personen »verschwunden« seien. Das sei falsch, sagt Moraima Bravet dazu. Die Familien von Festgenommenen würden entweder per Telefonanruf durch die Person selbst oder durch die Polizei über die Verhaftung informiert und wo die Person sich befinde. Abweichungen von dem grundsätzlich garantierten Besuchsrecht seien derzeit – wenn überhaupt – Folgen von Vorsichtsmassnahmen wegen der Pandemie. Sie verweist auch auf das Recht, die Aussage zu verweigern. Natürlich würden Gerichte aber oft – wie überall auf der Welt – es positiv bewerten, wenn jemand kooperiert und zur Aufklärung von Straftaten beiträgt.
Staatsanwältin Lisnay Mederos Torres weist auf mögliche »Vergünstigungen« bei Kooperationsbereitschaft hin, die allerdings auch bei den Ermittlungen über die im Zusammenhang mit den Protesten verübten Straftaten von der jeweiligen Schwere der Tat abhingen. Dabei gebe es keinerlei Unterschied zu der üblichen Verfahrensweise. Jeder Vorwurf werde individuell überprüft.
Moraima Bravet weist (ab20’30“) darauf hin, dass Personen, die andere Menschen mit Macheten angegriffen oder Steinen beworfen oder Polizeifahrzeuge zerstört hätten, in jedem Fall aber als schwere Straftäter n icht mit Vergünstigungen rechnen könnten. »Wir müssen die Sicherheit wieder herstellen, dass die Kinder ohne Gefahr in den Straßen spielen können und werden nicht zulassen, dass skrupellose Straftäter dies zerstören«, sagt sie. Die von vielen gelobte Sicherheit der Menschen auf Kubas Straßen sei eine Errungenschaft der Revolution, die verteidigt werde.
Staatsanwältin Lisnay Mederos Torres ergänzt, dass teilweise äußerst schwere Verbrechen verübt wurden, über deren Konsequenzen die Gerichte zu befinden hätten. Sobald Vorwürfe überprüft und bewiesen seien, würden die Ergebnisse der Ermittlungen den Gerichten zugestellt. Dies sei in eindeutigen Fällen laut Gesetz innerhalb von 96 Tagen möglich. Mit ersten Gerichtsverfahren sei deshalb in den nächsten Tagen, bzw. Stunden zu rechnen. Andere Fälle, z.B. der Raub (Robo con fuerza) bei Plünderungen unter Anwendung von Gewalt und Zerstörung von Fenstern, Türen und Einrichtungen werde die Feststellung der verursachten Schäden sicher längere Zeit in Anspruch nehmen. Der Staat werde aber seiner Verpflichtung zum Schutz des Eigentums der Bürger, Geschäfte, Bodegas, Marktstände und Institutionen nachkommen.
Moraima Bravet weist (ab25’00“) darauf hin, dass auch die Anstiftung zu Gewalttaten und zum Aufruhr und die öffentliche Propagierung derselben strafbare Handlungen seien, die verfolgt werden. Ebenso ist die bewusste und gezielte Gefährdung der öffentlichen Gesundheit durch Missachtung der Corona-Sicherheitsregeln in schweren Fällen, strafbar.
Ab ca. 27’45“: Geht es um das mögliche Strafmass für verschiedene Vergehen. So kann schwerer Raub (Robo con fuerza) mit Freiheitsentzug zwischen acht und 20 Jahren bestraft werden. Staatsanwältin Lisnay Mederos erläutert, dass Raub (einschließlich Plünderungen) in besonderen Situationen wie bei Naturkatastrophen durch Hurrikans und Erdbeben als besonders schwere Taten gegen die Bürger des Landes bewertet werden. Dies gelte auch für Aktionen am 11. Juli, dem Tag mit der bis dahin höchsten Zahl von neuen Covid-19.Infektionen und Corona-Toten. Wer in einer solchen Situation die negativen Auswirkungen der US-Blockade durch skrupellose Aktionen zusätzlich verschärft, handele in verbrecherischer Absicht. Der Zeitpunkt und die Situation müssten deshalb bei der juristischen Bewertung der Straftaten berücksichtigt werden. Dazu gebe es weitere Umstände, wie die gezielte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und die Zufügung wirtschaftlicher Schäden durch Zerstörung oder Sabotage, für die das Gesetz eine Ausdehnung des Strafmasses vorsehe.
Ab ca. 32’00“: Geht es darum, dass einige der an den Ausschreitungen beteiligten Personen sehr junge Leute gewesen seien. Minderjährige würden nicht bestraft, Heranwachsende anders beurteilt als erwachsene Täter. Moraima Bravet sagt, es sei bedauerlich und alarmierend, dass viele der bisher festgestellten minderjährigen Teilnehmer von Gewaltakten aus Familien stammten, in denen der Vater oder beide Eltern bekannte Straftäter sind. Ab ca. 34’00“ sagt sie – ohne in Details zu gehen –, dass die Ermittlungsbehörden zahlreiche Belege für die Rolle ausländischer Hintermänner und Organisationen hätten. »Wir wissen schon sehr viel darüber und werden die Ermittlungen in diese Richtung intensivieren«, kündigte sie an.
Ab ca. 39’00“: Der Moderator fragt, inwieweit die Vorfälle Aktionen mit symbolischem Charakter waren. Kuba sei weltweit als ein sicheres und ruhiges Land bekannt und geschätzt. Die Gäste bestätigen den Eindruck und weisen darauf hin, dass die in der kubanischen Verfassung garantierten Rechte auf freie Meinungsäußerung ihre Einschränkung fänden, wenn dadurch die Rechte anderer Personen verletzt, insbesondere deren Gesundheit oder Leben gefährdet würde. »Wir alle wollen keine Verhältnisse mehr wie 1993 in Kuba erleben«, erklärt Moraima Bravet zum Schluß, auf die Sonderperiode und die aus den USA initiierte Zerstörungen und Plünderungen am Malecón im Jahr 1994 anspielend. Sie erinnert deshalb an einen Ausspruch Fidel Castros vom 20. August 1993, als dieser sagte: »Eine Sache, die der Feind unmissverständlich wissen muss, ist, dass der Kampf gegen uns auf Leben und Tod geführt wird, dass sie sich nicht der Illusion hingeben, dass das Land zusammenbricht, wir haben immer gesagt, dass die Waffen und Erfolge der Revolution nicht kampflos aufgegeben werden.« Dieser Satz treffe auch auf die heutige Situation zu.
Sie habe Fidel zitiert, um der Desinformationskampagne, die den Eindruck erwecken soll, dass die Kubanische Revolution durch so etwas wie die erlebten Vorfälle zusammenbrechen würde. Moraima Bravet kritisiert, dass die internationalen Medien breit über regierungsfeindliche Proteste berichten, die Gegenwehr der Bevölkerungsmehrheit aber herunterspielen. Die kubanische Realität seien nicht die paar Contras, sondern das Volk.