Bericht von der Veranstaltung im Rahmen der Mitgliederversammlung des NETZWERK CUBA und von der Mitgliederversammlung am 17.3.24 in Berlin
Information aus erster Hand:
Cubas Herausforderungen und Perspektiven für 2024
Der Präsident des Cubanischen Instituts für Völkerfreundschaft und Abgeordneter der cubanischen Nationalversammlung, Fernando González Llort, berichtete auf Einladung des Netzwerk Cuba über die aktuelle Situation und stand lange für Fragen aus dem Publikum zur Verfügung. Der Saal im Berliner Haus der Demokratie war mit über 80 Teilnehmenden fast überfüllt mit einem sachkundigen und interessierten Publikum.
Fernando stellte die äußerst angespannte Situation in Cuba ungeschminkt dar, nach der Pandemie und den weltwirtschaftlichen Verwerfungen, die die Länder des globalen Südens besonders treffen. Cubas Besonderheit ist außerdem die rund 60jährige einseitige, völkerrechtswidrige und brutale Blockade seitens der USA. Diese umfasst zusätzliche Sanktionen und die Einschränkung jeglicher Finanzbeziehungen durch Cubas willkürliche Aufnahme in die US-Liste der vermeintlich Terror unterstützenden Staaten.
Gerade in den letzten Tagen häuften sich wieder die Stromausfälle im ganzen Land. Die Versorgungslage mit Lebensmitteln und Medikamenten ist kompliziert wegen des Devisenmangels und der Inflation. Dies wirkt sich nicht nur auf den Konsum der Bevölkerung aus, sondern natürlich auch auf das Fehlen von Betriebsmitteln in der Produktion und der Landwirtschaft. Die Inflation kann nur in den Griff bekommen werden, wenn ein ausreichendes Warenangebot zur Verfügung steht. Von der durch die Verfassung von 2019 zugelassenen Mikro-, Klein- und Mittelbetrieben (bis 100 Beschäftigte) hatte man sich nicht nur eine bessere Versorgung der Bevölkerung versprochen, sondern auch das Entstehen von Produktionsketten und Verflechtungen mit dem weiterhin dominierenden staatlichen Sektor, was nur in geringem Maße eingetreten ist. Ziel ist es, die hohen Importe von Lebensmitteln durch eigene Produktion zu ersetzen. Dabei erweist sich der Mangel an Arbeitskräften für diese harte Arbeit in der Landwirtschaft als Hemmnis.
Eine Dynamisierung der Wirtschaft aus eigener Kraft ist angesichts der fehlenden Aussicht auf eine Beendigung des Wirtschaftskriegs der USA gegen Cuba unabdingbar. Dieser behindert ja auch ausländische Investitionen und die Inanspruchnahme internationaler Kredite. Zusätzlich wird die cubanische Regierung durch die USA als ein „failed state“ diffamiert, die mit ihrer destruktiven Politik ja genau dieses Scheitern zum Ziel hat. Offenbar wird die ökonomische Erholung Cubas nicht kurzfristig spürbar sein, so dass leider viele Cubaner:innen ihr Lebensprojekt im Ausland verwirklichen wollen und deshalb migrieren, meist auch ohne sich gegen ihr Land und seine Regierung stellen zu wollen. Rechtlich ist dies sehr wohl möglich,
Ein Schlüsselelement für eine Verbesserung der Wirtschaftskraft ist die lokale Entwicklung mit dem Ziel, eine weitgehende Selbstversorgung der Gemeinden bei Nutzung aller Potenziale zu erreichen. Dabei soll mit Anreizen gearbeitet werden, die oftmals allerdings erst mittelfristig Ergebnisse erwarten lassen.
In dieser schon einige Jahre anhaltenden Mangelsituation hat ganz offenbar auch die Verankerung der Werte und Prinzipien der der sozialistischen Revolution im Volk gelitten, die Durchsetzung individueller Interessen auf Kosten der Allgemeinheit hat – und zum Teil auf kriminelle Weise – zugenommen, was konsequenter bekämpft werden muss. Allerdings ist die Gewaltkriminalität nachweislich nicht – wie von interessierter Seite behauptet wird – gestiegen.
Die Unterstützung befreundeter Länder ist durchaus vorhanden, unterliegt allerdings teilweise auch den extraterritorialen Auswirkungen der US-Blockade. Auf globaler Ebene ist festzustellen, dass die Hegemonie der USA zurückgeht, sich neue Allianzen ergeben können, und in diesem Bereich betreibt Cuba eine ausgesprochen anerkannte und erfolgreiche Außenpolitik.
Die historische Generation, die unter Führung von Fidel die Revolution erkämpft hat, hat die Opferbereitschaft der Cubaner:innen mobilisieren können. Die heutige Führung von Partei und Regierung auf allen Ebenen steht vor neuen komplexen Bedingungen und ist sich der immensen Herausforderungen bewusst. Sie muss sich den Hass-Kampagnen, insbesondere in den social media, entgegenstellen, die prinzipiell darauf abzielen, die cubanische Gesellschaft zu fragmentieren. Die Einheit des Volkes zu bewahren ist das Ziel der Regierung und Massenorganisationen, welches ganz offensichtlich die Mehrheit der Cubaner:innen noch immer teilt.
Mitgliederversammlung
Fotos: MIchael Quander
Am Vormittag hatte die satzungsmäßige Mitgliederversammlung des Netzwerk Cuba auch mit Beteiligung des cubanischen Gastes vom ICAP und der Botschafterin der Republik Cuba stattgefunden. Im Zentrum standen dabei der Erfahrungsaustausch der regionalen Gruppen, der Rückblick auf die vergangenen Monate und die Ausrichtung der gemeinsamen Solidaritätsarbeit, bspw. in der Medienarbeit. Diese wurde in einer Resolution festgehalten. Neben der erneuten Abstimmung einer Cuba-Resolution in den Vereinten Nationen im Herbst 2024 steht ein weiteres wichtiges Ereignis bevor: Das lang verschobene Treffen der Europäischen Cuba-Solidarität findet im November dieses Jahres in Paris statt.
Fernando nutze die Gelegenheit zu einer Ehrung von zwei Mitgliedsorganisationen, die in diesem Jahr ihr 50jähriges Bestehen feiern können: Die Freundschaftsgesellschaft BRD – Kuba e. V. und die Freundschaftsgesellschaft Berlin (damals besondere politische Einheit) – Kuba e. V.. Das war ein kleiner Rückblick auf viele Jahre vielfältiger Solidaritätsarbeit, die in Cuba sehr präsent wahrgenommen wird.
Fotos: Michael Quander
Auch von dieser Versammlung gingen gute Impulse und Schwung für die anstehenden Aufgaben aus.
Angelika Becker, Netzwerk Cuba