Gräben werden tiefer
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UN-Resolution gegen US-Blockade Kubas
Von Volker Hermsdorf
Ob im Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und Russland auf dem Boden der Ukraine, beim Krieg Israels im Gazastreifen oder jetzt in der UN-Debatte über die gegen Kuba verhängte US-Blockade: Die Gräben zwischen westlichen Regierungen und dem Rest der Welt werden tiefer. In Afrika und Lateinamerika wehren sich immer mehr Länder gegen die Hegemonie westlicher Industrienationen. Während der globale Süden – unterstützt von China und Russland, die natürlich auch eigene Interessen verfolgen – dabei zunehmend an Bedeutung gewinnt, verlieren die USA und die EU sowie ihre Verbündeten rapide an Akzeptanz und Einfluss. Das macht sie aber auch unberechenbar und gefährlich, wie die gnadenlose Aufrüstung, die Einstimmung der Bevölkerungen auf Kriege und die im atemberaubenden Tempo vorangetriebene Repression im Inneren zeigen.
Die erneut fast einstimmige Verurteilung der US-Blockade in der UN-Generalversammlung ist vor diesem Hintergrund ein positives Signal. Obwohl alle bisherigen US-Regierungen seit ihrer ersten Abstimmungsniederlage im Jahr 1992 demonstrierten, dass sie Forderungen der Weltgemeinschaft ignorieren und das internationale Recht mit Füßen treten, lassen sich von Jahr zu Jahr weniger Länder einschüchtern oder täuschen. »Die internationale Gemeinschaft hat die Nase voll von dieser perversen und sinnlosen Belagerung«, sagte der Venezolaner Joaquin Pérez in der zweitägigen UN-Debatte. Und der Vertreter Boliviens ergänzte: »Die Völker der Welt sehen, dass 60 Jahre nicht ausreichen, um ein solidarisches Volk zu unterjochen.« Das Beispiel Kubas, sein erfolgreicher Widerstand gegen alle Unterwerfungsversuche des so mächtig erscheinenden Gegners, ist es, was die USA glauben lässt, mit Fortsetzung der Blockade ihr Ziel irgendwann doch noch erreichen zu können. Erbärmlich – wie mittlerweile gewohnt – verhält sich die EU auch in diesem Fall wie ein Vasall Washingtons. Zwar forderten auch alle EU-Länder die Aufhebung der Blockade, doch einen wirksamen Schutz vor deren extraterritorialen Ausweitung verweigern die Regierungen ihren Bürgern und Unternehmen. Brüssel teilt offenbar Washingtons Furcht davor, Kubas Beispiel könnte Schule machen.
Denn das kubanische Volk sei nicht das einzige, das unter den schrecklichen Folgen einer grausamen und unmenschlichen Politik leidet. Viele andere in der Welt würden ebenfalls zu Opfern einer »Philosophie der Enteignung«, die zur »Philosophie des Krieges« führt, erinnerte Havannas Außenminister Bruno Rodríguez in der UN-Debatte an eine Rede, die Fidel Castro 1960 im selben Saal hielt: »In diesem tragischen Moment bekräftige ich die volle Unterstützung und Solidarität Kubas mit dem brüderlichen palästinensischen Volk, das heute in seinem eigenen, illegal besetzten Land massakriert wird.«