HERR IM HINTERHOF: Biden etwas einsam
Vorsorglich verpasst Washington nicht nur den Regierungen, sondern auch Vertretern der »Zivilgesellschaft« dieser Länder einen Maulkorb. So wurden Mitgliedern des kubanischen Behindertenverbandes Aclifim, der Schriftstellervereinigung Uneac, eines Verbandes zur Förderung der kubanischen Land- und Forstwirtschaft und von Cubasolar, einer Organisation zur Förderung der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen, sowohl die persönliche wie auch die Teilnahme an Onlineveranstaltungen verwehrt. Statt dessen sollen einige der von US-Diensten finanzierten Systemgegner die Länder in Los Angeles »repräsentieren«.
Auch US-Bürger dürfen öffentlich keine abweichenden Positionen vertreten. Die Organisatoren eines von verschiedenen US-Organisationen geplanten »Volksgipfels«, der »die Interessen der Armen und Besitzlosen unserer Hemisphäre« in Los Angeles artikulieren sollte, haben am Dienstag angeprangert, dass die Polizei von Los Angeles eine Demonstration während des Gipfels verboten habe.
Die Geschäftsführerin der Organisation »Californians for Humane Immigrant Rights Los Angeles« (CHIRLA), Angélica Salas, erklärte laut dem lateinamerikanischen Fernsehsender Telesur, das »People’s Summit« werde »Themen ansprechen, die für unser Volk wichtig sind, aber vom Präsidentengipfel ausgeklammert wurden. Die Rechte der Migranten, der Frauen und der Beschäftigten, der Wiederaufbau und Schutz demokratischer Normen und die Sicherheit der Familien. Wir werden eine andere Vision der Hemisphäre als einen Ort des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands für alle präsentieren, der kein Land ausschließt.«
Aber Washington glaube, »das Recht zu haben, allein zu entscheiden, wer demokratisch ist und wer nicht, obwohl es im Laufe seiner Geschichte immer wieder in Drittländer einmarschiert ist, die Völkergemeinschaft belogen hat – der Irak ist nur ein Beispiel –, mordet, Staatsstreiche organisiert, Sanktionen verhängt und internationales Recht verletzt; natürlich im Namen der Demokratie«, beschrieb die mexikanische Tageszeitung La Jornada am Dienstag den Grund für die Ablehnung des Treffens in vielen lateinamerikanischen Ländern. Es sei klar, dass dieses Land als entschiedener Gegner des Rechts der Nationen, souverän über ihren Weg zu entscheiden, die Voraussetzungen für die Ausrichtung eines Amerikagipfels nicht erfülle, kommentierte die angesehene Zeitung.
Hintergrund: Geschichte einer Ausgrenzung
Beim ersten Amerikagipfel, 1994 in Miami, hatten die USA bereits Kuba ausgeschlossen. Die übrigen 34 Staaten unterstützten Washingtons Projekt einer gesamtamerikanischen Freihandelszone (Free Trade Area of the Americas, FTAA), die in Lateinamerika als »Área de Libre Comercio de las Américas« (ALCA) propagiert wurde. Wie in Miami war der Ausschluss Kubas auch auf den Gipfeltreffen in Santiago de Chile (1998) und Québec (2001) kein kontroverses Thema.