Rückschläge für Regime-Changeler
Argentinien normalisiert Beziehungen zu Venezuela. Oppositionelle fordern Aufhebung von Sanktionen
Von Julieta Daza, Caracas
Venezuelas internationale Beziehungen normalisieren sich zusehends. Am Mittwoch (Ortszeit) ist bekanntgeworden, dass Argentiniens Außenministerium Oscar Laborde als Botschafter für Caracas vorgeschlagen hat. Nun wartet Buenos Aires auf die Zustimmung der venezolanischen Regierung zu dem Antrag, der laut Tageszeitung Clarín bereits am Montag gestellt worden war.
An diesem Tag hatte der argentinische Staatschef Alberto Fernández, der aktuell auch den Vorsitz der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) innehat, bei einem Treffen mit seinem ecuadorianischen Amtskollegen Guillermo Lasso erklärt, Buenos Aires wolle seine diplomatischen Beziehungen zu Venezuela wiederherstellen. Andere lateinamerikanische Staaten rief es dazu auf, das gleiche zu tun: »Venezuela ist mit seinen Wahlprozessen vorangekommen, und wir glauben, dass es an der Zeit ist, diesem Land dabei zu helfen, den Dialog wieder in Gang zu bringen.« 2019 hatte der damalige rechte Präsident Argentiniens, Mauricio Macri, die Beziehungen zu Venezuela abgebrochen.
Zeitgleich zur Ankündigung Argentiniens bestätigte Caracas die Ernennung von Stella Lugo als venezolanische Botschafterin für Buenos Aires. Lugo war zuvor in Venezuela unter anderem als Tourismusministerin und Gouverneurin des nordwestlichen Staates Falcón tätig gewesen.
Die Ankündigung Argentiniens bedeutet einen weiteren Rückschlag für die Versuche regionaler Rechtspolitiker im Verbund mit Washington, Caracas diplomatisch zu isolieren – die Gegner der Regierung von Nicolás Maduro bezeichneten die Taktik als »diplomatische Belagerung«. Auch bezüglich der Sanktionen, auf die die USA und europäische Staaten seit Jahren in ihren Regime-Change-Bemühungen setzen und die das Leben der Bevölkerung stark beeinträchtigen, bricht die Front. In der vergangenen Woche veröffentlichte der AP-Reporter Joshua Goodman auf Twitter einen offenen Brief, in dem 25 venezolanische Persönlichkeiten die US-Regierung dazu aufrufen, die Strafmaßnahmen gegen Venezuela abzuschwächen. Gerichtet ist das Schreiben unter anderem an US-Präsident Joseph Biden, US-Staatssekretär Antony Blinken und die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Die Unterzeichner – unter anderem Wissenschaftler, Journalisten und Vertreter von NGOs – gehören der Opposition an, auch wenn einige in der Vergangenheit solidarisch mit der »Bolivarischen Revolution« gewesen waren.
Grundtenor des Briefes ist die Forderung, die Sanktionen abzuschwächen, so dass internationale Ölkonzerne ihre Tätigkeiten in Venezuela wieder aufnehmen könnten, was die Erdölproduktion im Land stark ankurbeln würde. Das venezolanische Öl müsse, besonders vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges, dem Weltmarkt zugänglich gemacht werden, so die Schreiber. Die Sanktionen hätten ihre politischen Ziele nicht erreicht, weshalb die Verhandlungen zwischen venezolanischer Regierung und Opposition weiter forciert werden müssten.
Der venezolanische Soziologe und Erdölexperte Carlos San Vicente betont die Notwendigkeit, den Brief im Kontext der aktuellen geopolitischen Auseinandersetzungen zu verstehen. Im Gespräch mit junge Welt erklärte San Vicente, Erdölkonzerne wie Chevron und Exxon Mobil hätten in den vergangenen Jahren einige Tätigkeiten in Venezuela wieder aufnehmen können. Die Unterzeichnenden des Briefes befürchteten nun, dass diese wegen der Sanktionen das Land verlassen müssten. In der Folge könnten Konzerne beispielsweise aus dem Iran, Russland, Indien und der Türkei erleichterten Zugang bekommen.
Vor dem Hintergrund, dass die USA auf Ölimporte angewiesen sind, geht San Vicente davon aus, dass Washington seine Sanktionen gegen Caracas zumindest teilweise aufheben wird. Bereits heute sei es so, dass Staaten wie Russland und Belarus zunehmend in Venezuela investieren. Dementsprechend gehe es den Unterzeichnern des öffentlichen Briefes vor allem darum, dass sich das Land »nicht noch weiter vom Westen entfernt«.