Weichen sind gestellt
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Kongress der bolivianischen Linkspartei MAS: Evo Morales warnt vor Spaltung und hebt Wiederaufbau der Wirtschaft hervor
Von Volker Hermsdorf
In Bolivien haben Delegierte der regierenden »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) am Mittwoch (Ortszeit) die politische Ausrichtung der Partei für die kommenden Jahre festgelegt und ihre Statuten aktualisiert. Anlass für den außerordentlichen Kongress waren starke Verluste bei den Kommunal- und Regionalwahlen im Frühjahr, nach denen die MAS nur noch drei der neun Gouverneure in den Departamentos stellt. In drei weiteren Departamentos setzten sich ehemalige MAS-Politiker durch, die auf anderen Listen kandidiert hatten. Der Expräsident und Parteivorsitzende Evo Morales hatte daraufhin einen innerparteilichen Diskussionsprozess angeregt. Ergebnisse und Konsequenzen der Analyse standen am Mittwoch zur Debatte des ursprünglich für den 3. Juni anberaumten Parteitags, der wegen hoher Coronainfektionszahlen auf den neuen Termin verschoben worden war.
Morales warnte vor einer Spaltung der Partei, in der sich vor und nach dem Putsch vom November 2019 unterschiedliche Positionen von Linken und »Reformern« herausgebildet hatten. Angesichts erneuter Drohungen der Rechten und der Vereinigten Staaten gegen die Regierung des Präsidenten Luis Arce (MAS) appellierte Morales, die Einheit innerhalb seiner Partei und deren Verbindung zu Organisationen der Arbeiter, Bauern und indigenen Bevölkerung zu stärken. Als größte und bedeutendste politische Partei trage die MAS eine große Verantwortung für den Erhalt der Unabhängigkeit des Landes und einer den Interessen der Bevölkerungsmehrheit dienenden Ökonomie.
Der ehemalige Präsident hob den Prozess des »Wiederaufbaus« der von dem Putschistenregime zwischen 2019 und 2020 ruinierten Wirtschaft hervor. Arce habe diesen seit seinem Amtsantritt im vergangenen November in Gang gesetzt, unter anderem durch Reaktivierung der öffentlichen Investitionen mit mehr als vier Milliarden Dollar in diesem Jahr. Die wirtschaftliche Erholung »bedeutet, dass wir gemeinsam auf dem richtigen Weg sind«, so Morales. Er fügte hinzu, dass die ökonomischen und sozialen Fortschritte, die seit Beginn der ersten Amtszeit eines MAS-Präsidenten im Jahr 2006 mit einem »antikapitalistischen, antiimperialistischen und antineoliberalen Wirtschaftsmodell« erzielt worden sind, von den bolivianischen Schichten, die mit der US-Politik sympathisieren, niemals akzeptiert wurden und werden. Als eines der wichtigen nächsten Projekte sollten »die Kommunikation und der Internetzugang demokratisiert werden, damit die Menschen auf dem Lande Zugang zu digitaler Kommunikation haben, damit Schüler und Studenten das Internet für den Unterricht nutzen können und die Schulen über diesen Dienst verfügen«, forderte Morales. »Kommunikation ist gleichbedeutend mit Befreiung.«
»Aber wieder einmal droht die Rechte«, kommentierte der Parteichef Aufrufe oppositioneller Parteien und Gruppierungen zu Demonstrationen und Straßenblockaden in den kommenden Tagen. Eine Woche zuvor hatte bereits der Generalsekretär des Gewerkschaftsdachverbandes COB, Juan Carlos Huarachi, vor erneuten Versuchen der Rechtsparteien »Comunidad Ciudadana«, »Creemos« und deren Unterstützern, das Land zu destabilisieren, gewarnt. Wie der Gewerkschaftsführer rief auch Morales dazu auf, die von der Regierung Arces »wiederhergestellte Demokratie« zu verteidigen.
Die Einheit und Stärkung der MAS sei dafür eine entscheidende Voraussetzung, deshalb habe die Partei ihre Statuten entsprechend aktualisiert, erklärte der Parteivorsitzende auf einer Pressekonferenz im Anschluss an den Kongresses. Die Delegierten hätten einer Regelung zugestimmt, Abtrünnige und Spalter auszuschließen oder mit anderen Sanktionen zu belegen. Wie die spanische Agentur Efe berichtete, rief Morales zu einer »Revolution innerhalb der Revolution« auf, um »Ambitionen« zu vertreiben, die das Ansehen der Partei beschädigten. Die MAS werde durch Menschen gestärkt, die »aus Überzeugung, nicht aus Ehrgeiz handeln«.