USA am Katzentisch
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Dialog für Venezuela
Von Volker Hermsdorf
Nachdem Vertreter der venezolanischen Regierung und der rechten Opposition sich am Freitag in Mexiko-Stadt auf eine Vereinbarung zur Aufnahme von Gesprächen ab dem 30. August geeinigt haben, ist es müßig, vor deren Beginn über mögliche Ergebnisse zu spekulieren. Unabhängig von ihrer Bewertung sind zunächst einmal aber veränderte Fakten festzustellen, die sich aus der sieben Schlüsselthemen umfassenden Vereinbarung ergeben.
Darin erkennen alle Unterzeichner Präsident Nicolás Maduro und dessen Regierung als legitime Vertretung des venezolanischen Volkes an. Die Opposition verzichtete auf ihre bisherige Forderung nach Maduros sofortigem Rücktritt und darauf, den Oppositionspolitiker Juan Guaidó als »Interimspräsidenten« zu bezeichnen. Statt dessen übernahmen beide Seiten die Forderung nach sofortiger Aufhebung aller Sanktionen und der US-Wirtschaftsblockade. Auch die Anerkennung der staatlichen Institutionen und der Verfassung einschließlich der darin verankerten Wahlverfahren sowie das Bekenntnis zum Verzicht auf Gewalt und Verschwörung sind Punkte zugunsten der Regierung. Schließlich ist es ein Zeichen, dass Russland und die Niederlande bei den unter der Schirmherrschaft Norwegens vereinbarten Gesprächen eine aktive Rolle spielen sollen, während die USA mit einigen anderen Ländern als »Beobachter« am Katzentisch sitzen müssen. »Maduros Regierung geht in diese Gespräche mit ihrer stärksten Position seit Jahren«, kommentierte die Washington Post am Freitag. Der Staatschef sprach schon am folgenden Tag auf einer Veranstaltung der Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas von einem »Sieg über die Opposition«.
Ob die Vorfreude berechtigt ist, wird sich zeigen. Wie brüchig Vereinbarungen sein können, wenn rechte Akteure in der Region und Washington sich nicht an sie halten, zeigt das einst gefeierte Friedensabkommen in Kolumbien. In Mexiko-Stadt verhandeln zwar wichtige Teile der ultrarechten Opposition, doch ist die von 20 antichavistischen Parteien gebildete Koalition »Alianza Democrática« nicht vertreten. Auf der anderen Seite ist auch die früher an der Regierung beteiligte Kommunistische Partei Venezuelas, die zunehmend Kritik von links an Maduros Regierung übt, nicht in den Prozess eingebunden.
Entscheidend für Erfolg oder Misserfolg der Gespräche dürfte die Frage sein, ob Washington der Forderung aller Beteiligten nach Beendigung der Sanktionen und der Wirtschaftsblockade nachgibt. Angesichts der für kommendes Jahr angesetzten US-Zwischenwahlen werde Präsident Joseph Biden – aus Rücksicht auf rechte Wähler der lateinamerikanischen Exilgemeinde in Florida – Entscheidungen zugunsten der venezolanischen Regierung vermeiden, zitierte AP Beobachter. Damit kann Biden den Dialog, an dem die USA nicht aktiv beteiligt sind, am Ende doch noch torpedieren.