Öffentliche online-Veranstaltung des Netzwerk Cuba zur wirtschaftlichen Situation in Cuba und über die wirtschaftliche und soziale Neuordnung am 30.1.2021
Dra. Silvia Odriozola Guitart,
Dekanin der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften /
Universidad de La Habana
Die Veranstaltung mit der Dekanin der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Havanna, Dr. Silvia Odriozola Guitart, sprengte in mancher Hinsicht den vorgesehenen Rahmen, zeitlich aber auch vom Interesse her: die Kapazitätsgrenze der Online-Plattform wurde erreicht.
Frau Dr. Odriozola stellte nicht nur den ganzen Komplex der Maßnahmen vor, die seit Beginn des Jahres umgesetzt werden, sondern schilderte auch die Beweggründe für diese Konzeption. Sie beruht einerseits auf der gegenwärtigen angespannten Situation in Cuba (Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen, die verschärften Sanktionsmaßnahmen und die Blockade Cubas durch die USA), andererseits aber auch auf den Schwierigkeiten der kubanischen Wirtschaft seit dem Zusammenbruch der sozialistischen Staatengruppe. Seit langem wird von Staat und Wissenschaft daran gearbeitet, Probleme, die die Entwicklung der Produktivität und das Wirtschaftswachstum behindern, zu lösen, bei gleichzeitiger Beibehaltung des sozialen und demokratischen Charakters der sozialistischen Revolution.
So bedingt die Zusammenführung der beiden Währungen (CUP und CUC) mit unterschiedlichen Wechselkursen auch ein neues Einkommens- und Preisgefüge, der Abbau von Subventionen von Produkten geht Hand in Hand mit einer Unterstützung der Bedürftigen, um niemanden zurückzulassen, die Kompetenz und Autonomie der Unternehmen und der regionalen und lokalen Ebene wird gestärkt.
In der sich anschließenden Diskussion wurden wichtige Fragen vertieft: mit welchen Maßnahmen soll gesichert werden, dass die Einkommen und Preise in einem Gleichgewicht bleiben? Werden Renten und Sozialleistungen ebenfalls einbezogen? Welche Gründe gibt es, dass bislang offensichtlich ein erheblicher Teil der Erwerbsfähigen nicht in den regulären Arbeitsprozess einbezogen war? Etliche von diesen bewerben sich jetzt um Arbei., Wird die Kultur weiterhin subventioniert und welche Arbeitsmöglichkeiten bieten sich für die Künstler, deren Situation sich unter Covid 19 auch erheblich verschlechtert hat? Welche Maßnahmen werden durchgeführt zur Intensivierung der Landwirtschaft mit Ausrichtung auf eine größere Ernährungssouveränität? Wie entwickelt sich das Verhältnis zwischen dem staatlichen Sektor, den Genossenschaften und Selbständigen bis hin zu künftig geplanten kleinen und mittelständischen Unternehmen, und in wieweit wurde die Bevölkerung in den Umstellungsprozess einbezogen? Und wie sieht die Einschätzung am Ende des ersten Monats der Neuordnung aus?
Es wurde auch die Frage aufgeworfen, ob mit der Neuordnung nicht die sozialistische Grundstruktur aufgegeben wird, wenn Marktelemente neben der zentralen Planung einbezogen werden, und ob eine solche Fragestellung in Cuba überhaupt diskutiert wird.
Gleich zu Anfang hatte die Referentin darauf hingewiesen, dass diese Diskussion nicht neu sei, sie würde seit den 90er Jahren geführt, um das Jahr 2000 angesichts der Verschärfung der Blockade, bei der veränderten Politik von Barack Obama und seit dem 6. Parteitag der PCC. Sie beziehe sich auf die jeweils aktuellen internationalen Bedingungen und die internen Voraussetzungen. Neu sei allerdings, wie stark über den Weg auf akademischer Ebene diskutiert werde.
Es wurde klar, dass eine Folgeveranstaltung mit dieser hoch kompetenten Referentin, die mit Unterstützung der kubanischen Botschaft in Deutschland zu der Online-Veranstaltung eingeladen werden konnte, wünschenswert wäre. Dank auch an die Dolmetscher*innen, die diese anspruchsvolle Arbeit gut bewältigt haben, und natürlich an die Verantwortliche für die Technik, die die Durchführung dieses Events ermöglicht hat.
Zum Abschluss wurde auf die Möglichkeiten zur Unterstützung des kubanischen Sozialismus hingewiesen: der politische Kampf gegen die Blockade, die den Fortschritt Cubas maßgeblich behindert, und die materiellen und finanziellen Spenden angesichts der äußerst schwierigen Versorgungslage in Cuba, müssen intensiviert und wirkungsvoller werden.