Kandidatur von Expräsident Morales stellt »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) auf die Probe. Regierung bestreitet gegen sie gerichtete Vorwürfe
Von Volker Hermsdorf
Der Ehemalige und der Amtierende: Evo Morales (l.) und Luis Arce in La Paz (25.8.2022)
Boliviens ehemaliger Präsident Evo Morales will es noch einmal wissen. Am Sonntag (Ortszeit) hat der 63jährige angekündigt, sich im Jahr 2025 für eine vierte Amtszeit als Staats- und Regierungschef bewerben zu wollen. Der frühere Gewerkschaftsführer der Kokabauern ist damit der erste Politiker, der offiziell seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen bekanntgab. Im Lager des derzeitigen Amtsinhabers Luis Arce stößt die Ankündigung auf heftige Kritik. Der von Morales geführten Regierungspartei »Bewegung zum Sozialismus« MAS droht eine Spaltung.Morales war 2006 zum ersten indigenen Präsident des südamerikanischen Landes gewählt worden. Nachdem das Verfassungsgericht eine Begrenzung der Amtszeiten für ungültig erklärt hatte, kandidierte er am 20. Oktober 2019 ein drittes Mal. Mit 47,1 Prozent der Stimmen lag er mehr als zehn Prozentpunkte vor seinem Herausforderer Carlos Mesa von der Rechtspartei »Comunidad Ciudadana«, der auf 36,5 Prozent kam, und war damit laut Wahlgesetz im ersten Durchgang erneut zum Staats- und Regierungschef gewählt worden. Die Opposition erkannte ihre Niederlage jedoch nicht an, inszenierte mit Unterstützung der von Washington dominierten »Organisation Amerikanischer Staaten« (OAS) einen Putsch gegen den gewählten Präsidenten und setzte die durch keine Wahl legitimierte rechte Politikerin Jeanine Áñez als »Übergangspräsidentin« ein. Morales ging zunächst nach Mexiko und dann nach Argentinien ins Exil. Nach monatelangen Massenprotesten setzte das Regime im Oktober 2020 Neuwahlen an, die Luis Arce von Morales sozialistischer MAS-Partei klar gewann.
Nach anfänglicher Unterstützung für seinen früheren Wirtschaftsminister ging Morales zunehmend auf Distanz zu Arce. Er wirft dessen Regierung unter anderem Korruption und fragwürdige Infrastrukturprojekte vor. Wenige Tage vor einem vom 3. bis 5. Oktober in Cochabamba geplanten Kongress seiner sich offiziell »Movimiento al Socialismo – Instrumento Político por la Soberanía de los Pueblos« nennenden Partei, prangerte Morales an, dass die derzeitigen Amtsinhaber einen Plan in Gang gesetzt hätten, der darauf abziele, ihn für die Wahlen im Jahr 2025 zu disqualifizieren. »Gezwungen durch die Angriffe der Regierung, ihren Plan, die MAS-IPSP zu verbieten und uns mit politischen Prozessen zu entmachten, ja sogar physisch zu eliminieren, haben wir beschlossen, die Bitten unserer Mitglieder und so vieler Schwestern und Brüder, die an den Kundgebungen im ganzen Land teilnehmen, zu akzeptieren, um für die Präsidentschaft unseres geliebten Bolivien zu kandidieren«, schrieb Morales am Sonntag im Kurznachrichtendienst X. Er behauptete, dass seine Gegner, wenn es ihnen nicht gelinge, ihn politisch auszuschließen, versuchen würden, seine Kandidatur »mit Hilfe einer Frau« zu disqualifizieren, so wie es der rechte Flügel bereits 2019 getan habe. Vor drei Jahren war Morales wegen des Vorwurfs einer sexuellen Beziehung mit einer Minderjährigen angezeigt worden, der später jedoch nicht bewiesen werden konnte. Angeblich hätten »Leute in der Regierung« ihn auch vor Plänen gewarnt, den MAS-Parteitag zu sabotieren und ihn an die Vereinigten Staaten auszuliefern, erklärte Morales.