Die Dummheit hat sie geboren
https://de.granma.cu/cuba/2023-09-13/die-dummheit-hat-sie-geboren
Vor 25 Jahren wurden Gerardo, Ramón, Antonio, Fernando und René im Rahmen einer FBI-Operation verhaftet. Jahre später sollte der Fall der Cuban Five, der fünf kubanischen Anti-Terroristen, für Tausende von Menschen auf der ganzen Welt bewegen
Autor: Jorge Enrique Jerez Belisario |
n den frühen Morgenstunden des 12. September 1998 verhaftete das Federal Bureau of Investigation (FBI) in Florida eine Gruppe von kubanischen Geheimdienstagenten. Das „Wasp Network“, wie die Medien die Gruppe nannten, hatte seit 1990 die Aktionen von bekennenden Terroristen mit Sitz in Miami überwacht.
Stunden später, am selben Tag, informierte das FBI die kubanisch-amerikanischen Vertreter im Repräsentantenhaus, Ileana Ros Lehtinen und Lincoln Díaz-Balart, die beide eine lange antikubanische Vergangenheit haben, über die Operation und die Festgenommenen, was eine klare politische Positionierung war und ein Vorspiel für das, was noch kommen sollte.
Politik, Druck und Medienspektakel waren die Schlüsselwörter dieser Monate, in denen nur sehr wenige Menschen in Kuba wussten, was vor sich ging. Von jenem frühen Samstagmorgen im September 1998 an sprachen alle Medien in Florida ununterbrochen von „der Festnahme einiger schrecklicher kubanischer Agenten, die bereit sind, die Vereinigten Staaten zu zerstören“ – derselbe Satz, der auch der Staatsanwaltschaft so gefiel und den sie während des gesamten Prozesses immer wieder wiederholte.
SIE SIND GEKOMMEN, UM MICH AUFZUFORDERN ZU BEREUEN
Verstöße gegen die Verfassung, exzessive Strafen, Isolation ohne dass eine Disziplinlosigkeit begangen worden wäre, waren die Konstante in diesem Prozess. Während dieser ersten Periode verbrachten die Fünf 17 Monate in dem Loch – einer Straf- und Isolationszelle mit den Maßen 6×9 Fuß -, oft mit 24 Stunden Licht, wobei diese Art der Bestrafung rechtlich nur für zwei Monate erlaubt ist. Die Absicht war, sie zu foltern, sie psychologisch zu beeinflussen, sie zum Nachgeben zu bringen, bis sie einen kubanischen Geheimdienstoffizier dazu brachten, „zuzugeben“, dass sie dorthin geschickt worden waren, um Schaden anzurichten.
Sie griffen zu allen möglichen Erpressungsmethoden, wie bei René, als sie ihm Olga in der Gefängnisuniform vorführten und er mehr zu seinen Entführern als zu ihr sagte: „Wie schön die Farbe Orange an dir aussieht!
Zwischen den Manipulationen kamen die Anklagen: Verschwörung zur Spionage, obwohl keine sensiblen Informationen gefunden wurden, die die nationale Sicherheit des Landes betrafen, und andere geringfügige Anklagen, die mit der Rechtsdoktrin des Notstands zu rechtfertiegn waren, d.h. mit der Notwendigkeit Kubas, sich vor den Aktionen zu schützen, die seit so vielen Jahren von Südflorida aus vorbereitet und finanziert werden und die dem kubanischen Volk Tote, Verstümmelte und Verletzte gekostet haben.
Acht Monate nach Beginn des Prozesses kam eine weitere Anklage hinzu: Verschwörung zum Mord ersten Grades gegen Gerardo, die ihn mit dem Abschuss der „Brothers to the Rescue“-Flugzeuge am 24. Februar 1996 in Verbindung bringt. Der Zufall wollte es, dass die Anklage wegen Mordes erst Wochen später erhoben wurde, als Präsident Clinton der Mafia in Miami einen Schlag versetzte und den entführten Jungen Elian Gonzalez rettete. Die Staatsanwaltschaft selbst bat darum, die Anklage zurückzuziehen, und räumte in einem Dokument ein, dass es unmöglich sei, sie zu beweisen. Dennoch wurde Gerardo für schuldig befunden und verurteilt.
Es bestand nie ein Interesse an einem fairen Prozess. Von Anfang an war eine politische Show inszeniert worden, für die Miami die ideale Stadt war. Am 27. November 2000 beschrieb René González in seinem Tagebuch, was sich zu einem perfekten Sturm entwickelt hatte:
„Schon auf dem Rückweg vom Mittagessen veranstalten die Angehörigen der Brothers to the Rescue-Piloten eine Show vor dem Gerichtsgebäude. Die Richterin muss die Staatsanwälte auffordern, das Spektakel ihrer Patenkinder zu beenden. Übrigens, die Presse – die mit Hunderten von reißerischen Artikeln gegen uns das Sprachrohr der Staatsanwaltschaft ist – hetzt bereits gegen die potentiellen Geschworenen“.
Der Prozess gegen die Fünf hat auch einige Rekorde aufgestellt: Er war der längste in der Geschichte der USA, er ist außerdem derjenige, bei dem die größte Menge an als geheim eingestuftem Material behandelt wurde, und weist die höchste Anzahl von Prozessbeteiligten auf, darunter Persönlichkeiten, US-Militäroffiziere und Geheimdienstmitarbeiter.
Wie vorherzusehehen war, wurde der Fall mehr als zehn Jahre lang von keiner Berufungsinstanz gelöst, vom elften Gerichtsbezirk in Atlanta bis zum Obersten Gerichtshof selbst, der einen der interessantesten Fälle in der Rechtsgeschichte des Nordens, wie er selbst einräumte, ignorierte. Es war von Anfang an ein politischer Fall, und so war auch seine Lösung.
SIE WERDEN SAGEN, DASS DIE MENSCHEN SCHLECHT SIND UND ES NICHT VERDIENEN
Der politische Druck, der auf den Geschworenen lastete, war so offensichtlich, dass El Nuevo Herald selbst einen am 2. Dezember 2000 veröffentlichten Artikel mit der Überschrift „Angst davor Geschworener im Spionageprozess zu sein“ versah. Darin wurde zugegeben, dass die Geschworenen eine gewalttätige Reaktion von Exilkubanern befürchteten, falls sie die fünf Männer freisprechen würden, die der Spionage für das kubanische Regime beschuldigt wurden, und dass viele potenzielle Kandidaten den Richter baten, sie von ihrer Bürgerpflicht zu befreien.
„Dieser Prozess wird weitaus interessanter sein als jede Fernsehsendung“, sagte Richterin Joan Lenard dem Miami Herald am 16. März 2000. Damit lag sie nicht weit von der Wahrheit entfernt. Die von ihr selbst begangenen Verstöße gegen die Verfassung bewiesen dies.
Rui Ferreira, der für El Nuevo Herald über den Prozess berichtete, schrieb 2001: „Man versucht, das Exil für eine Reihe von Aggressionen verantwortlich zu machen und das Regime von Fidel Castro als Opfer darzustellen“.
Die Verträge über 4.725 bis 252.325 Dollar, die an eine Gruppe von Journalisten vergeben wurden, machten Miami zu einem für die Justiz untragbaren Ort. Unter diesen bezahlten Journalisten ragen Namen wie Pablo Alfonso, Ariel Remos und Wilfredo Cancio Isla heraus. Dies wurde von Lawrence Wilkerson, dem Leiter des Teams von US-Außenminister Colin Powell von 2001 bis 2005, selbst zugegeben.
Für das Ende dieser juristischen Geschichte das Drehbuch bereits geschrieben, nachdem die Argumente der Verteidigung und der Anklage abgeschlossen waren. Nach 102 Anhörungen begannen die 12 Geschworenen mit ihren Beratungen. Sieben Tage später befanden sie René Gónzalez, Antonio Guerrero, Fernando González, Ramón Labañino und Gerardo Hernández für schuldig. Richter Lenard verurteilte sie daraufhin zu Haftstrafen zwischen 15 Jahren und zweimal lebenslänglich.
LEBEN OHNE SICH KAUFEN ZU LASSEN
Heute ist die Geschichte leichter zu erzählen. Ein Gerardo, der in irgendeinem Viertel Kubas ankommt und jedem die Hand schüttelt, oder ein Gerardo, der nach einem anstrengenden Tag nach Hause kommt und drei fast unisono ertönende „Papa“-Rufe hört, könnte kein besseres Ende finden. Oder ein René, der sich einer Sache widmet, die ihm Spaß macht, und der seine Familie genießt. Ein Ramón der ANEC, der sein Wissen in ein Land einbringt, das engagierte Ökonomen braucht; ein Fernando, der aufgrund seiner Moral und seiner Position die Solidaritätsbewegung mit Kuba in der Welt anführt und ein Tony, der der Nationalen Union der Architekten und Bauingenieure Kubas (UNAICC) vorsteht.
An jenem 12. September war das, was Tony am meisten beeindruckte, dass er keine Angst hatte. „Inmitten von Männern mit allen möglichen Waffen, die auf mich gerichtet waren, wurde ich auf den Boden geworfen, mit Handschellen gefesselt, und ich spürte keine Angst. Vom ersten Moment an war ich entschlossen, angesichts all dieser Brutalität nicht zu zucken. Ich bin immer noch beeindruckt von der Gelassenheit und dem Gleichmut, mit denen ich diesem Moment begegnen konnte. Eine Gelassenheit, die ich nach 25 Jahren als Ausdruck der Loyalität zu Fidel, zur Revolution und zu unseren Helden sehe. Ich hatte an diesem Tag keine Zweifel; inmitten vieler Ungewissheiten gab es nur einen Entschluss: die heilige Pflicht, unser Land, unsere Würde und unsere Sache zu schützen, weiterhin zu erfüllen.
Für René war der entscheidende Faktor, die Unterstützung vor allem der Familie, die Mobilisierung des kubanischen Volkes und später der Menschen in aller Welt, die sich der Sache anschlossen. „Die Geschichte der Fünf ist nur eine Klammer in der Geschichte von mehr als 60 Jahren Aggression der Vereinigten Staaten gegen das kubanische Volk, die noch immer anhält. Die Terroristen, die wir bewacht haben, sind nach wie vor frei in Miami, und die Politik der US-Regierung ist unverändert“.
An einem Tag wie heute denkt man zuerst an Fidel, sagte Gerardo. „In den schwierigsten Momenten unseres Prozesses, als wir für schuldig befunden wurden und jeder wusste, dass der Hass losbrechen würde, versicherte er dem kubanischen Volk, dass wir zurückkehren würden. Es scheint mir, dass die Zeit zu schnell vergangen ist, aber wenn man sich im Detail mit dem beschäftigt, was wir durchgemacht haben, wird einem klar, dass es eine lange Zeit war. Wir fünf sind sehr stolz auf die Mission, die wir erfüllt haben, und wir bereuen nichts. Ich kann nicht einmal sagen, dass es verschwendete Zeit war, weil wir gelernt haben, weil wir wunderbare Menschen getroffen haben, die sich für unsere Sache eingesetzt haben, und weil diese Zeit uns geholfen hat, revolutionärer und antiimperialistischer zu werden. Ich persönlich hätte an dem Tag, an dem ich zu zwei lebenslangen Haftstrafen verurteilt wurde, nie gedacht, dass ich einige Zeit später der nationale Koordinator der größten Massenorganisation des Landes sein würde.“