Moskau–Havanna
Historisch haben beide Partner von ihrer Zusammenarbeit und der über die Jahre gewachsenen Freundschaft profitiert. Ohne Hilfe der damaligen Sowjetunion wäre der erste erfolgreiche Versuch, im Hinterhof der USA ein alternatives Gesellschaftsmodell zu errichten, vermutlich schon kurz nach dem Sieg der Kubanischen Revolution am 1. Januar 1959 beendet worden. Mit einer Invasion durch CIA-Söldner in der Schweinebucht hatte Washington zunächst im April 1961 versucht, die Revolutionsregierung zu stürzen. Als das misslang, folgten Sanktionen, die zur umfangreichsten und längsten Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade der Geschichte ausgeweitet wurden. Die Sowjetunion unterstützte Kuba mit Krediten, Geld und Handelsverträgen.
Als Washington für das Jahr 1962 einen weiteren US-Militäreinsatz plante, einigten sich die Regierungen in Moskau und Havanna darauf, zum Schutz vor einer neuen Invasion sowjetische Mittelstreckenraketen auf der Insel zu stationieren. Allerdings erfolgte das nicht ohne Eigeninteresse. Nikita Chruschtschow wollte mit den nur 150 Kilometer von der Küste Floridas entfernten Nuklearwaffen ein Gegengewicht zu den im April 1962 in der Türkei stationierten US-Atomraketen schaffen, die auf das Gebiet der Sowjetunion gerichtet waren. Um einen drohenden Atomkrieg zu verhindern, einigten sich US-Präsident John F. Kennedy und Chruschtschow darauf, die Sicherheitsinteressen ihrer beiden Länder zu respektieren und zogen ihre Raketen aus Kuba und der Türkei ab. Da Kennedy zudem zusicherte, dass die USA keine weitere Landung von US-Militärs auf der Insel versuchen würden, profitierte auch Kuba von der Lösung.
Wieder angenähert
Die Auflösung der Sowjetunion und der sozialistischen Staaten Osteuropas war für die Insel eine Katastrophe. Mit Beginn der 1990er Jahre verlor das Land 80 Prozent seines Exportmarktes und seiner Importe. Nachdem sich die einst guten Beziehungen – durch die prowestliche Politik von Gorbatschow und Jelzin – verschlechtert hatten, knüpfte erst Wladimir Putin ab Dezember 1999 in seiner ersten Amtszeit wieder an die alten Verbindungen an. Beim Gegenbesuch nach einer Moskau-Reise des damaligen kubanischen Präsidenten Raúl Castro im Juli 2012 handelte Russlands Premierminister Dmitri Medwedew ein Jahr später in Havanna zahlreiche Abkommen, darunter eine Vereinbarung aus, nach der Moskau Havanna 90 Prozent der zu Sowjetzeiten angehäuften Schulden in Höhe von insgesamt rund 35 Milliarden US-Dollar (damals 26 Milliarden Euro) erließ. Der Rest in Höhe von 2,3 Milliarden Dollar wurde im Februar 2023 auf Beschluss des russischen Parlaments bis mindestens 2027 gestundet.
Mitte Juli 2014 reiste Putin nach Kuba. Das Ergebnis seines Besuch waren zehn bilaterale Verträge über Kooperationsprojekte in den Bereichen Energie, Industrie, Gesundheit und zum Ausbau der Infrastruktur. Bei seiner Abreise versicherte Putin: »Wir werden unsere kubanischen Freunde dabei unterstützen, die illegale Blockade der USA zu überwinden.« Für die sozialistische Inselrepublik eine wichtige Zusage. Ein halbes Jahr später kündigte US-Präsident Barack Obama ein »neues Kapitel« in den Beziehungen beider Länder an. »Die Isolation Kubas hat nicht funktioniert«, sagte Obama und erklärte, die vollständige Aufhebung der Blockade anzustreben. Unter den Nachfolgern Donald Trump und Joseph Biden wurde sie statt dessen jedoch weiter verschärft. Mit Trumps Amtsantritt im Januar 2017 nahm die strategische Partnerschaft Kubas mit Russland an Bedeutung weiter zu.
Im gleichen Maße wie die US-Regierung die Beziehungen zu Kuba reduzierte, erkannten russische Unternehmen ihre Chance und planten Milliardenprojekte auf der Insel. Bis Ende 2017 erreichte der bilaterale Handel zwischen beiden Ländern ein Volumen von rund 400 Millionen US-Dollar. Russlands staatseigener Ölkonzern Rosneft verschiffte mehr Treibstoff. Die russische Eisenbahngesellschaft RZD bot sich an, das Eisenbahnnetz von mehr als tausend Kilometern zu modernisieren. Im November 2017 lieferte die Firma »Sinara Transport Machines« der ersten von 75 Lokomotiven für den Personen- und Gütertransport, Russlands größter Lkw-Hersteller Kamas steigerte die Exporte auf die Insel, und der größte Autoproduzent Awtowas brachte die ersten 320 Pkw vom Typ Lada Westa nach Kuba.
Im gleichen Boot
Die verschärften westlichen Sanktionen gegen Russland haben beide Länder fester zusammengeschweißt. Im November 2022 erklärte Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel während eines viertägigen Staatsbesuchs in Moskau, Russland und Kuba seien nicht nur das Ziel »willkürlicher Sanktionen«, sondern hätten im »Yankee-Imperialismus auch einen gemeinsamen Feind«, der einen großen Teil der Welt manipuliere. Putin bestätigte einen »Plan für die gegenseitige Zusammenarbeit bis 2030«, der »eine große Anzahl gemeinsamer Projekte« umfasse – von Industrie über Bildung bis hin zum Sport. »Wir werden alles tun, um unsere Bindungen und bilateralen Beziehungen weiter auszubauen«, bekräftigten beide Staatschefs.
Konkretes folgte: So nahm der stellvertretende russische Ministerpräsident Dmitri Tschernyschenko im Mai an der Eröffnung einer mit russischer Hilfe modernisierten Stahlhütte in Havanna teil. Investitionen in Höhe von 90 Millionen Dollar sollen die Kapazität des Werkes auf 230.000 Tonnen Flüssigstahl pro Jahr erhöhen und 500 neue Arbeitsplätze schaffen. Im Juni wurde während eines Staatsbesuchs von Premierminister Manuel Marrero Cruz in Moskau unter anderem ein Abkommen über die Lieferung von knapp 1,7 Millionen Tonnen Erdöl und Treibstoffderivaten pro Jahr durch Rosneft vereinbart. Weitere Verträge sehen regelmäßige Getreidelieferungen, die Gründung gemeinsamer Unternehmen in der Zuckerindustrie, ein Montagewerk des Automobilherstellers UAS, sowie die Eröffnung von Lebensmittel- und Haushaltswarengeschäften in Kuba vor. Seit dem 1. Juli bietet die Aeroflot-Tochter Rossiya Airlines wieder Direktflüge nach Varadero an. Tschernyschenko rechnet bis Ende des Jahres mit rund 150.000 russischen Touristen, eine wichtige Quelle für Deviseneinnahmen des Landes in diesem Sektor. Wegen des für die Linie gesperrten westlichen Luftraums dauerte der erste Flug jedoch knapp 13 Stunden.
»Kuba ist unser wichtigster Partner in Lateinamerika«, versicherte der russische Ministerpräsident Michail Mischustin seinem Amtskollegen Marrero Cruz und verwies darauf, dass der russisch-kubanische Warenumsatz in den ersten vier Monaten des Jahres 2023 trotz ungünstiger äußerer Umstände bereits um das Neunfache gewachsen sei. Er habe keinen Zweifel, dass er weiter wachsen wird, fügte Mischustin hinzu.