»Die Regierung will in den Krieg gegen Russland ziehen«
Ich bezeichne mich selbst nicht als linken Politiker, aber das ist es eigentlich, was ich bin. Über diese Begrifflichkeiten mache ich mir wenig Gedanken, aber ich unterstütze keine rechten Positionen. Ich würde mich als Sozialisten bezeichnen.
Was hat Sie zu der politischen Person, die Sie heute sind, gemacht?
Ich glaube, es waren meine Eltern. Sowohl mein Vater als auch meine Mutter waren sehr politische Personen. Sie waren keine Anhänger der großen (konservativen, jW) Parteien, Fianna Fáil und Fine Gael, sondern sie standen außerhalb dieses Spektrums. Beide waren aktive Republikaner in den 1950ern, 60ern und den frühen 70ern. Sie arbeiteten sehr intensiv in ihrer Nachbarschaft und traten für die einfachen Leute ein. Das alles habe ich aufgesaugt, und es hat mich geprägt. In meinem Beruf wurde ich dann rasch aktiv. Ich trat der Gewerkschaft bei und wurde Betriebsrat. Bevor ich Abgeordneter wurde, habe ich für die Kommunalverwaltung in der Trinkwasseraufbereitung gearbeitet.
Ich wohne in Killybegs im Südwesten der Grafschaft Donegal (dem nordöstlichen Rand der Republik Irland, westlich der Grenze zu Nordirland, jW). Irgendwann 1999 standen Kommunalwahlen an und wir saßen am Abend zusammen und haben geredet. Da kamen dann ein paar Leute auf mich zu und meinten, es solle doch jemand als Unabhängiger zu den Wahlen antreten, denn die Chancen für einen unabhängigen Kandidaten in Killybegs würden sehr gut stehen. Und nach einiger Diskussion meinte ich, ich würde es versuchen. Am Ende wurde ich dann sogar gewählt, und das war dann mein Start als Politiker.
Sie haben erwähnt, dass Ihre Eltern republikanische Aktivisten waren. Ihr Vater war auch ein republikanischer Gefangener. Wie war es, als Sohn eines republikanischen Gefangenen aufzuwachsen?
Für mich war das ein normales Leben, weil es das einzige Leben war, das ich kannte. Als ich klein war, wurde das Haus immer wieder von der Polizei durchsucht. Ich erinnere mich, dass ich öfter am Morgen aufstand, um in die Schule zu gehen, und als ich die Tür öffnete, war das Haus von bewaffneten Polizisten umstellt. Als ich elf oder zwölf Jahre alt war, wurde mein Vater dann zum Tode verurteilt, da er für einen Bankraub in der Grafschaft Roscommon verantwortlich gemacht wurde. Das Urteil wurde dann auf 40 Jahre Haft im Hochsicherheitsgefängnis Portlaoise in der Grafschaft Laois umgewandelt. Von dem Tag an besuchte ich ihn regelmäßig, bis seine Verurteilung aufgehoben wurde. Das war 1995. Als mein Vater freigelassen wurde, sagte ein Freund von mir, dass es schwierig für uns gewesen sein muss. Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte, denn das war mein Leben. Ich wusste nicht, wie andere Leute leben.
Der Südwesten von Donegal ist nicht weit von Nordirland entfernt. Wie war das Leben dort, nur unweit vom Krieg auf der anderen Seite der Grenze?
Donegal hat mit dem Rest der Republik Irland nur eine vier Kilometer lange Verbindung. Wir mussten also eigentlich immer durch Nordirland fahren, um irgendwo anders in der Republik hinzukommen. Wir kannten also die Situation dort sehr gut, weil wir sie einfach immer selbst sahen, wenn wir nach Dublin, in die Hauptstadt, fuhren. Wir erlebten die Straßenkontrollen des britischen Militärs und all das. Ich wusste damals, dass das alles nicht richtig war und die Situation auch nicht so sein musste. Nach dem Karfreitagsabkommen von 1998 war die Situation dann ganz anders, und viele Menschen erkannten, wie es immer hätte sein können. Ich meine damit, warum das Land vereint sein sollte.
Die britische Polizei und das Militär verschwanden von der Grenze, und es gab Bewegungsfreiheit und ungehindertes Fahren von und nach Nordirland. Wenn wir zuvor von Donegal nach Dublin fuhren, wurde das Auto zumindest einmal aufgehalten und durchsucht. Zumeist passierte es aber mehrmals. Wir wussten immer, dass es falsch war, dass die Soldaten auf der Straße waren und Leute aufhielten, die einfach ihren täglichen Geschäften nachgingen.
Welchen Einfluss hatte der Krieg auf das Leben in Donegal?
Die Stadt, an der sich Donegal orientiert, ist Derry City. Das war die Stadt von Donegal. All die Bars und Pubs, die Dungloe Bar und alle anderen, wo die Leute hinfuhren, waren eigentlich in Donegal. Das Hinterland von Derry war Donegal. Durch die Teilung und die Grenzziehung wurde das alles abgeschnitten. Das hatte einen großen Einfluss auf die Menschen, weil es ihr Leben erschwerte.
Das erste Mal, dass wir uns trafen, war vor mehr als zehn Jahren bei einer Solidaritätsveranstaltung für republikanische Gefangene im Süden der Grafschaft Derry nahe Toomebridge. Sie haben sich immer wieder für politische Gefangene eingesetzt. In der Republik Irland gibt es immer noch die Sondergerichte, die Special Criminal Courts (SCC), wo es nur eine geringe Beweislast gibt, anonyme Aussagen und keine Geschworenen. Wie ist die Menschenrechtslage heute in Irland?
Es gibt immer noch Gefangene, die aufgrund des Konflikts in Nordirland in Haft sind. Ihre Zahl ist rückläufig, und daher verbessert sich ein wenig die Situation. Aber wie Sie sagen, gibt es diese SCC. Die werden im Süden hier immer mehr Teil des normalen Lebens und der Rechtsprechung. Das ist gefährlich, weil sie zunehmend für nichtpolitische Anklagen verwendet werden. Der Staat wurde immun, weil es SCC bereits so lange gibt. Er denkt nicht mehr darüber nach, welchen negativen Einfluss die SCC-Existenz auf die Rechtsprechung und die Menschenrechtslage hat. Immer weniger Menschen haben in Irland die Möglichkeit, einen fairen Gerichtsprozess zu bekommen. Wenn es kein faires Rechtssystem gibt, dann werden die Menschenrechte für alle in der Gesellschaft unterminiert.
SCC sind Sondergerichtshöfe, die während des Kriegs in Nordirland in der Republik eingeführt wurden. Heute werden sie für alles möglich verwendet, und für SCC ist es gleichgültig, wer da als Angeklagter steht. Es kann nicht sein, dass ständig Sondergerichte eingesetzt werden, bei denen von vornherein klar ist, dass es eine Verurteilung geben wird. Denn genau zu diesem Zweck wurden sie damals etabliert: damit es garantierte Verurteilungen gibt. Beim SCC sitzen Richter, die Verurteilungen einzig und allein deswegen aussprechen, weil ein Polizist ihnen etwas erzählt, ohne Beweise vorzulegen. In Irland besteht ein Rechtssystem, das auf blindem Gehorsam der Richter gegenüber der Polizei basiert.
Sie erwähnen, dass es Probleme mit der Polizei gibt …
Durch den Konflikt im Norden wurde der Polizei im Süden freie Hand gegeben. Dadurch gab es über die letzten Jahrzehnte sehr viele Justizirrtümer in Irland.
Lassen Sie uns über Ihre Arbeit als Parlamentsabgeordneter sprechen. Sie sind als unabhängiger Abgeordneter im Parlament. Wäre es nicht einfacher, Teil einer Partei oder größeren Fraktion zu sein?
Das Problem sind die Gegenleistungen, die von dir erwartet werden, wenn du in einer Partei bist. Ich bin nicht gewillt, irgendwelche Kompromisse zu schließen. Ich bin der Meinung, dass das Parteiensystem das größte Problem ist. Du hast die gewählten Abgeordneten, die Partei und dann erst die Menschen. Die Partei dient als Puffer und Schirm zwischen den Abgeordneten und den Menschen, die sie gewählt haben. Als Unabhängiger hast du das nicht. Statt dessen ist der direkte Draht zu deinen Wählern da, und du kannst sie und ihre Wünsche direkt repräsentieren. Es sollten nicht die Parteien sein, die das Land gestalten, sondern die Menschen selbst.