Allein reisen als Frau: Unterwegs in Kuba
Bunte Oldtimer ziehen vorbei, eine Frau mit einem breiten Lächeln im Gesicht und einer qualmenden Zigarre in der Hand. Wer kenn dieses Bild nicht? Einmal im Leben nach Kuba reisen und dieses Lebensgefühl inmitten alter Kolonialstädte, weißen Sandstränden und grünen Tabak-Plantagen aufsaugen. Redakteurin Lioba Schulz erfüllte sich diesen Traum und reiste allein auf die karibische Insel.
Die letzten Sonnenstrahlen lassen mein Gesicht hell aufleuchten. Ich recke meinen Hals leicht nach vorne, schließe die Augen und genieße die Wärme auf meiner Haut. Heitere Gespräche mischen sich mit meinen Gedanken. Hinter mir fetzen alte Autos knatternd über die Straße. Die Wellen schlagen lautstark vor mir auf. Zu dem Salz in der Luft mischt sich ein süßlicher Geruch. Ich genieß es, wie der ein oder andere Meerestropfen auf meine Haut fällt und rutsche auf der Steinmauer noch etwas weiter nach vorn – am Malecón, der berühmten Uferpromenade Havannas. Ist das schön. „No, no!“, wird mir plötzlich entgegengeschrien. Mit aufgerissenen Augen und wild fuchtelnden Armen versucht mir eine kubanische Männergruppe, die sich neben mich gesetzt hat, etwas mitzuteilen. „Weg da! Weg vom Wasser“, tönt es energisch. Ziemlich irritiert mache ich klar, dass alles gut ist und ich nur den Moment genieße. Sie bleiben hartnäckig. Nach ein paar Anlaufschwierigkeiten verstehe ich endlich: „Das Abwasser der Stadt wird hier abends ins Meer gelassen“. Oh, so eine – wortwörtliche – Scheiße. Lachend ziehe ich mich von den nun wirklich brauner wirkenden Wellen zurück. Auch die kubanische Gruppe hat sich köstlich amüsiert und verwickelt mich gleich in ein Gespräch, wo ich herkomme, ob ich allein hier bin und was ich nach dem Sonnenuntergang mache. Einer von ihnen fängt an zu singen, aus einem alten Handylautsprecher dröhnt spanische Musik und zwei beginnen Rumba zu tanzen.
„Eine Stunde Internet bitte“
Gute Vorbereitung ist unerlässlich, zumindest für das Gefühl auf dem Hinflug noch alles im Griff zu haben. Vor Ort – 8.000 Kilometer entfernt von Deutschland – kommt auf Kuba sowieso vieles anders als geplant. In meinem Fall cancelte die Fluggesellschaft den Rückflug. Meine ausgefuchste und bereits vorgebuchte dreieinhalbwöchige Reiseroute, mit all den Unterkünften und Busverbindungen, war, schwups, hinfällig. Eine besondere Herausforderung stellt in solchen Fällen das Internet dar. Internet ist in dem sozialistisch geführten Land keine Selbstverständlichkeit und meist nur mit dem Kauf von Rubbelkarten an öffentlichen WLAN-Hotspots verfügbar. Zudem sind viele internationale Websites von Kuba aus nicht aufrufbar – wie etwa die Seite meiner Fluggesellschaft. Gott sei Dank hatte ich vorab meiner Familie einen ausführlichen Reiseplan mit allen Buchungsinfos dagelassen. (An dieser Stelle Danke an meine Mama, die sich zwei Stunden lang durch die Hotline der Airline gekämpft hat.) Gerade wegen des schlechten Internets ist es aber sinnvoll, die wichtigsten Buchungen vorher online zu erledigen.
Hola Havanna!
Nach der Ankunft am Flughafen Varadero und einem kurzen Stopp in Matanzas, einer Hafenstadt fast ohne Touristen und mit zahlreichen ungeschminkten Eindrücken des kubanischen Alltags, reiste ich in die nahegelegene Hauptstadt Havanna. Kaum aus dem Bus ausgestiegen, prasselten die bunten Farben der Autos, die geschichtsträchtigen Kolonial-Bauten und laute Gespräche sowie dröhnende, kubanische Musik auf mich ein. Alles wirkte wie in einem riesigen Freilichtmuseum. In den charmanten bis heruntergekommenen Straßen pulsierte das Leben. Ich schlenderte durch die historische Altstadt, entlang der Kathedrale von Havanna, dem in der Sonne goldglänzendem Kapitol, bis hin zu einem kühlen, grünen Park. Mit einer dicken, öligen, kleinen „Pizza“ auf einem Pappkarton in der Hand, beobachtete ich das rege Treiben. Menschen jedweder Hautfarbe begrüßten und musterten mich interessiert. Am Abend genoss ich von der Festungsanlage aus den Blick über Havanna. Kaum verließ die Sonne den Horizont, erhellten die Lichter monumentaler Bauten und Bars das Nachtleben.
Cuba Libre, Daiquiri oder Mojito
Die Chance auf eine beklemmende Einsamkeit als Alleinreisende gab es auf Kuba kaum. Mit meiner blassen Haut und dem riesigen Rucksack fiel ich schnell auf. Nach demselben Muster konnte ich weitere Touristen ausmachen. Und: Es waren überraschend viele Solo-Reisende unterwegs. Kuba soll eines der sichersten Reiseländer der Welt sein. Mit offenen Augen, einem sympathischen Lächeln und der Gemeinsamkeit des Reisens lässt sich leicht ein Gespräch beginnen.
An meinem dritten Abend in Havanna dachte ich, jetzt ist es so weit: Den Abend verbringe ich ganz allein in meiner Unterkunft. Das halte ich aus. Auf der leeren Dachterrasse des Hostels lauschte ich der rauschenden Nacht Havannas. Das Handy blieb in der Hosentasche – bloß keine Chance auf Ablenkung, nur ich. Es roch nach einer warmen Sommernacht und die Straßenlichter flackerten bunt die alten Wände hoch. Eine lautstarke Diskussion übertönte das hallende Staatsfernsehen aus einem Hinterhof. Zufrieden lächelte ich in die Dunkelheit. Nach einer Weile ging ich zurück ins Zimmer und mummelte mich in meine Bettdecke. In meinen stolzen Gedanken: „Schön ist das mit mir“, mischten sich fremde Stimmen. Durch die Türe fiel plötzlich Licht ins Dunkle und zwei Herren traten ein. Freudig blickten mir Florian und ein weiterer Deutscher in mein zerknautschtes Gesicht. Was ich denn heute Abend noch vorhabe, fragten sie. Etwas später zog mich die Stadt mit zahlreichen Mojitos, wirbelnden Salsa-Schritten und der ausgelassenen Stimmung in Havannas-Bars in ihr grenzenloses Nachtleben. Es gibt am Abend kaum eine Straße, in der nicht irgendwo Musik ertönt, angeregte Gespräche geführt werden und in der der ein oder andere Fuß zum Takt mit wippt. Um drei Uhr nachts taumelte ich mit meinen neuen Freunden lachend zurück ins Hostel. So viel zu: Heute Abend mache ich gar nichts.
Kaffee und Tabak
Nach dem aufregenden Stadtleben ging es in die mit grünen Hügeln und Tabakfeldern überzogene Landschaft des Viñales-Tals. Hier begann die Entschleunigung und Gelassenheit Kubas zu wirken. Auf der Veranda meiner Gastfamilie saß tagsüber der Opa genüsslich wippend in seinem Schaukelstuhl. Meist beobachtete er den umherziehenden Obst-Verkäufer oder atmete die Luft einer Zigarre. Vom Dorf aus wanderte ich vorbei an Bauernhöfen mit frisch, geerntetem Kaffee im Angebot, entlang rot-brauner Tabakfelder und durch die kegelförmigen Hügel des Tals.
Bei diesen Wanderungen geriet ich auch mal in eine unangenehme Situation: Natürlich bin ich am Abend nie solo durch dunkle Gassen gezogen, aber irgendwie hatte ich es trotzdem geschafft, alleine mit einem männlichen Guide in einer kilometertiefen, stockfinsteren Tropfsteinhöhle zu stehen. Er fragte, ob er mich küssen darf und ich im Gegenzug die Führung nicht bezahlen müsse. Nach einer gefühlten Ewigkeit, hastigen Schritten und höflichen Erklärungen, warum ich das Angebot nicht annehmen wolle, erblickten wir wieder das Tageslicht am Ausgang der Höhle. Ich bin wohl aus Trotz in diese Situation geraten: Nur weil ich solo unterwegs war, wollte ich mir dieses Naturspektakel nicht entgehen lassen. Doch ein paar sicherheitsbedingte Abstriche hier und da bleiben als alleinreisende Frau wohl leider nicht aus.
Lebensfreude und Leute
Mit das Schönste am Allein-Reisen ist, dass man viel intensiver in die Kultur eintauchen kann und mehr von den Einheimischen mitbekommt. Trinidad ist berühmt für seine koloniale Altstadt, die kopfsteingepflasterten Straßen und die nahegelegenen Zuckerrohrfelder – aber auch für die Herzlichkeit seiner Einwohner. Am helllichten Tage kam ich an einer offenen Bar vorbei, um Wasser zu kaufen. Kaum stützte ich mich am rustikalen Tresen ab, beugte sich ein älterer, braungebrannter Kubaner zu mir vor und fragte: „Hallo, wie geht’s?“. Ob ich nicht lieber ein Bier nehmen möchte, witzelte er mit dem Mann hinter der Bar. Wir unterhielten uns ein wenig, bis ich irritiert bemerkte, dass nicht nur die Bar-Gäste, sondern auch Leute auf der Straße stehen geblieben waren, um unserem Gespräch gespannt zu lauschen. Hin und wieder wurde ein „Hallo Hübsche“ eingeworfen. Nach meiner Verabschiedung in der Bar blickte ich in strahlende Gesichter und der Mann am Tresen klopfte mir mit seinen ölverschmierten Händen freundlich auf die Schulter. Zwei Tage später traf ich ihn auf der Straße zufällig wieder. Noch bevor ich einordnen konnte, wer er war, lief er mit ausgebreiteten Armen freudig auf mich zu und umarmte mich. „Das ist die Dame aus der Bar“, erläuterte er seiner Frau und stellte mich ihr vor. Ich musste leider schnell weiter, woraufhin es zum Abschied gleich noch eine herzliche Umarmung gab.
Die Kubaner sind sehr an ausländischen Reisenden interessiert. In großen Städten hoffen sicher einige auf Geld, ein Visum oder die große Chance. Aber viele wollen sich einfach unterhalten. Man darf nicht vergessen, dass Kuba ein sozialistischer Inselstaat ist und der Großteil der Bevölkerung sehr arm ist. Sowohl die ausländischen Websites als auch die Nachrichten werden vom Staat reguliert. Nur die wenigsten Kubaner werden jemals in ihrem Leben die Insel verlassen dürfen. Als Tourist bist du für sie das Tor zur Welt, worüber die Einheimischen freudig mehr erfahren möchten.
Sonne, Strand und erfrischende Einsicht
Inmitten von Stadt, Land und Leuten darf natürlich die Entspannung nicht zu kurz kommen. Und wo ginge das besser als an den endlos langen, weißen Sandstränden der karibischen Insel? Neben dem touristischen Varadero und vielen Stränden außerhalb, ist der Playa Luna, nahe der französisch angehauchten Stadt Cienfuegos, ein Geheim-Tipp, sowie der Playa Ancón von Trinidad aus schnell zu erreichen. Unter einer Palme, auf weich, knirschendem Sand und mit leichtem Meeresrauschen im Hintergrund gab ich mich gänzlich dem tropischen Flair hin. Was für ein Traum. Hin und wieder legten sich ein paar streunende Hunde zu mir und ein Strand-Masseur zog seine Runden. Auf einmal hielt er mir mit den Worten „für dich“ eine frische Kokosnuss entgegen. Ich blinzelte mehrmals irritiert gegen die Sonne und war erst dabei, seine Geste kritisch abzulehnen. Er bestand weiter darauf, mir diese Kokosnuss schenken zu wollen.
Diese selbstlose Art aus dem Nichts erlebte ich auf Kuba immer wieder. Leute forderten für mich Gefallen bei ihren Freunden ein, rannten oder schrien mir hinterher, nur damit ich den richtigen Weg fand und blieben hartnäckig, als ich die Höflichkeiten falsch deutete. Dieses herzliche Miteinander brachte mich immer wieder zum Strahlen und Staunen. Ich denke gerne an diese Zeit voller Lebensfreude zurück. Einsam kann man sich selbst inmitten zahlreicher, falscher Leute fühlen. Doch alleine sein – umringt von pulsierender Kultur, atemberaubender Landschaft und echten Weggefährten – ist etwas ganz Anderes und wunderschön.
Text von Lioba Schulz
Reiseinformationen
Reisezeit: Kuba lässt sich ganzjährig bereisen. Am angenehmsten ist es während der Trockenzeit von November bis April.
