Die „Wiedereroberung“ Lateinamerikas durch Europa?
https://de.granma.cu/mundo/2022-08-30/die-wiedereroberung-lateinamerikas-durch-europa
Europa erlebt ein negatives wirtschaftliches und ökologisches Panorama und wird bei seinem Versuch, seine Präsenz in der Region wiederzuerlangen, auf eine gestärkte Beziehung zwischen Lateinamerika und der Karibik und China treffen
Autor: Milagros Pichardo |
„Die Europäische Union (EU) ist besorgt über den Vormarsch Russlands, aber vor allem Chinas in den lateinamerikanischen Ländern, einer Region, die in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht traditionell mit dem Westen verbunden ist“, hieß es kürzlich in einem Bericht, der von der spanischen Tageszeitung El País aufgegriffen wurde.
Wie in der Kolonialzeit spricht der Text davon, bis 2023 eine diplomatische und kommerzielle Gegenoffensive zu starten, um seine „führende Position“ in der Region wiederzuerlangen. Er verweist auf beachtliche Zahlen, wie zum Beispiel, dass die Europäische Kommission bis 2027 ca. 3,4 Milliarden Euro für die Zusammenarbeit mit der Region Lateinamerika und Karibik bis 2027 bereitstellen wird.
Eine solche Verzweiflung ist kaum verwunderlich, da die Gaspreise auf dem alten Kontinent unaufhaltsam steigen und der Euro gegenüber dem Dollar stark an Wert verliert. In weniger als einem Monat sind die Preise um 213 % gestiegen.
Während des Sommers erlebte Europa die schlimmste Dürre seit 500 Jahren. Nach Angaben der Dürrebeobachtungsstelle befinden sich 64 % des EU-Gebiets im Warn- oder Alarmzustand, was zusätzlich zu den durch die Ausbreitung von Bränden verursachten Schäden schwerwiegende Auswirkungen auf Landwirtschaft, Viehbestand und Ökosysteme hat. Auch für den Winter gibt es keine guten Nachrichten: In Ermangelung russischer Kohlenwasserstoffe wird es wohl eher kalt und dunkel werden.
Europa erlebt ein negatives wirtschaftliches und ökologisches Panorama und wird bei seinem Versuch, seine Präsenz in der Region wiederzuerlangen, auf eine gestärkte Beziehung zwischen Lateinamerika und der Karibik und China stoßen. Zwischen 2000 und 2020 hat der asiatische Riese seine Investitionen in der Region vervielfacht und ist zum ersten oder zweitwichtigsten Handelspartner der Länder in der Region geworden.
Es sei darauf hingewiesen, dass sich 21 der 33 Staaten der Region der Initiative Neue Seidenstraße angeschlossen haben und dass das Forum für die Zusammenarbeit zwischen China und der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten seit 2014 besteht.
Infolge der vom Westen verhängten Sanktionen hat sich Russland anderen Regionen zugewandt, um Produkte zu importieren, die zuvor aus EU-Ländern kamen. Nach Angaben von Russia Today stammt das meiste Obst, Gemüse und Fleisch, das die Russen verzehren, inzwischen aus Argentinien, Brasilien und Uruguay.
Russland hat allein 2018 6 Milliarden US-Dollar in Venezuela investiert. Dennoch stehen Argentinien, Brasilien und Mexiko an der Spitze der Liste der wichtigsten Handelspartner.
Weder China noch Russland können von irgendeinem Land in der Region für eine von Exzessen geprägte kolonialistische Vergangenheit verantwortlich gemacht werden.
In der zweiten Hälfte des Jahres 2023 wird Spanien die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Es ist also kein Zufall, dass der spanische Präsident Pedro Sánchez kürzlich Kolumbien, Ecuador und Honduras bereiste und vorschlug, ein Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU, Lateinamerikas und der Karibik zu veranstalten, oder dass er Gustavo Petro beiläufig vorschlug, die Friedensdialoge in Spanien abzuhalten.