Bolton schenkt reinen Wein ein
Ehemaliger US-Sicherheitsberater gibt Beteiligung an Putschversuchen zu. Kritik aus Lateinamerika, Russland und China
Von Frederic Schnatterer
Der Schuss ging nach hinten los. Eigentlich wollte der ehemalige Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, John Bolton, seinen früheren Chef verteidigen. Am Dienstag erklärte er im Interview mit dem TV-Sender CNN, der Sturm auf das Kapitolgebäude in Washington, D. C. am 6. Januar 2021, als Tausende Trump-Anhänger versuchten, die Bestätigung des Wahlsieges Joseph Bidens zu verhindern, sei kein »gut geplanter« Putschversuch, sondern eher ein »improvisierter Akt« gewesen. Er wisse das, schließlich sei er »jemand, der bei der Planung von Staatsstreichen geholfen hat, nicht hier, aber anderswo«. Daher wisse er auch, »dass es viel Arbeit bedeutet«. Trump hingegen habe impulsiv gehandelt.
Zwar spezifizierte Bolton nicht, welche Regierungen unter seiner Mithilfe gestürzt werden sollten. Allerdings bestätigte er im Interview, dass es im Jahr 2019 einen Putschversuch gegen den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro gegeben hatte. Bolton, der zu den sogenannten Falken in der Republikanischen Partei gehört, diente zwischen 2018 und 2019 als Sicherheitsberater für Trump. Während dieser Zeit bezeichnete er die Regierungen Venezuelas, Kubas und Nicaraguas als »Troika der Tyrannei« und »Ursache für immenses menschliches Leid, eine enorme regionale Instabilität und die Entstehung einer schmutzigen Wiege des Kommunismus in der westlichen Hemisphäre«.
In mehreren Ländern Lateinamerikas führte Boltons Geständnis am Mittwoch zu scharfen Reaktionen. So schrieb Boliviens Expräsident Evo Morales auf Twitter: »Mit dem Zynismus, der die Ultrarechte in den USA auszeichnet, gibt John Bolton zu, bei der Planung von Staatsstreichen in souveränen Ländern mitgeholfen zu haben.« Das zeige einmal mehr, dass die USA der »schlimmste Feind der Demokratie und des Lebens« seien. Auch Morales selbst war im November 2019 Opfer eines Putsches geworden. Nachdem er die Präsidentenwahl in der ersten Runde klar gewonnen hatte, zweifelten Rechte und internationale Organisationen wie die Washington hörige Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) das Ergebnis an. In der Folge wurde Morales gezwungen, das Land zu verlassen, eine Putschregierung übernahm die Amtsgeschäfte. Erst ein Jahr später, im November 2020, konnte der Expräsident nach dem deutlichen Wahlsieg seiner »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) wieder nach Bolivien zurückkehren.
Auch der stellvertretende Außenminister Kubas, Carlos Fernández de Cossío, verurteilte die Äußerungen Boltons am Mittwoch. An Biden gerichtet erklärte er zudem, die US-Regierung solle »ihre Energien darauf verwenden, dem politischen, ideologischen und moralischen Zerfall ihrer eigenen Gesellschaft entgegenzutreten«, anstatt die »destabilisierenden Operationen« wiederzubeleben. Bolton war auch maßgeblich an der Verschärfung der US-Blockade gegen Kuba unter Trump beteiligt.
In den USA selbst sorgte das Bolton-Interview ebenfalls für Aufregung – Geheimdienstvertreter versuchten umgehend, seine Äußerungen als erfunden darzustellen. So sagte der ehemalige CIA-Agent John Sipher, der ehemalige Sicherheitsberater erzähle »nur Mist« und habe »nie einen Putsch geplant«. Das »Signal«, das von Bolton Aussage ausgehe, sei »falsch«; es sei nicht so, dass »hohe Beamte im Weißen Haus sitzen und Staatsstreiche choreographieren«. Bolton schob allerdings am Mittwoch in einem weiteren Interview nach und bezeichnete die Kritiker als »Snowflakes« (Sensibelchen), die der Wahrheit nicht ins Auge sehen wollten.
Doch nicht nur in Amerika, auch in anderen Teilen der Welt wurde die Aussage Boltons zur Kenntnis genommen. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums forderte am Mittwoch eine »internationale Untersuchung«. »Ich kann mich an keine andere Person erinnern, die in hohen Ämtern tätig und direkt für die US-Außenpolitik verantwortlich war, die ausdrücklich gesagt hat, dass sie Putsche in anderen Ländern geplant hat.« Vielmehr hieße es normalerweise aus Washington, dass »demokratische Kräfte« unterstützt würden. Am Donnerstag erklärte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin, Boltons Eingeständnis stelle »keine Überraschung« dar und zeige einfach, dass der Sturz der Regierungen anderer Länder »zur Standardpraxis der US-Regierung geworden sind«. Westliche Regierungen äußerten sich indes nicht zu dem Interview.