Wo der Himmel aufgeht – Esther Bejarano in Kuba und im Film in Hamburg
Endlich wieder Präsenzveranstaltungen bei den Romerotagen. Das Kino 3001 am 2. 4. 2022 war bis auf den letzten Platz besetzt. Mit Abstandsregeln wegen des Virus waren immerhin 60 Besucher gekommen. Es sei das erste Mal, dass er seinen Film bei einer Vorführung gar nicht sehe, meinte Tobias Kriele, der seinen Platz an jemanden weitergab, der sonst nicht mehr hätte teilnehmen können.
Veranstaltet werden die Romerotage von einem Veranstalter- und Förderkreis jedes Jahr im Frühjahr zu Ehren von Oscar Armulfo Romero, der Erzbischof von El Salvador war und im März 1980 ermordet wurde. Weder der inzwischen verstorbene Mörder noch seine Hintermänner, die von US-Geheimdiensten geförderten Todesschwadrone, wurden für diese Tat belangt. Der Mord löste einen Bürgerkrieg aus, in dem 75.000 Menschen getötet wurden. Oscar Romero, der die Militärdiktatur verurteilte und sich radikal für die Armen einsetzte, wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Alles wofür er gekämpft hat ist heute noch von großer Bedeutung. Jeden Tag werden in San Salvador 18-20 Menschen getötet und den Anstieg der hohen Mordraten nahm der Präsident am 27. März 2022 zum Anlass, den Ausnahmezustand auszurufen. Allein am Tag davor wurden 62 Menschen ermordet. Bürgerrechte wurden außer Kraft gesetzt und Hunderte verhaftet.
Die Solidaritätsgruppen für Kuba, Cuba Sí Hamburg und Freundschaftsgesellschaft BRD Kuba in Hamburg, nehmen seit vielen Jahren an den Romerotagen teil, um darauf hinzuweisen, dass die die Menschenrechte verletzende Blockade der USA gegen Kuba aufhören muss. Sie besteht seit 60 Jahren, ist völkerrechtswidrig und wird auch von Europa aus betrieben. Trotz riesiger Geldmengen aus den USA für Regime-change- und Kontraaktivitäten ist es nicht gelungen, das Experiment, dass eine bessere Welt möglich ist, zu zerstören. Gerade in Zeiten der Pandemie hat Kuba gezeigt, was es bedeutet, ein öffentliches, für alle zugängliches Gesundheitssystem zu haben und Impfstoffe jenseits von Profitinteressen zu entwickeln.
Esther Bejarano, Ehrenbürgerin Hamburgs, Mitbegründerin des Auschwitz-Komitees, Ehrenmitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, erfüllte sich vor fünf Jahren mit 92 Jahren den lang gehegten Wunsch, nach Kuba zu reisen. Sie wollte die Menschen und das sozialistische Projekt kennen lernen und die jüdische Gemeinde besuchen. Daraus ist ein Film entstanden „Wo der Himmel aufgeht“ von Tobias Kriele und Kameramann Martin Broschwitz. Er sei eigentlich kein ausgebildeter Filmemacher, betonte Tobias Kriele. Er sei 2003 als Tischler nach Kuba gegangen und zehn Jahre später als Doktor der Philosophie zurückgekehrt. Er war sehr froh, dass der Film Esthers Zustimmung fand. Er habe ihn auf 45 Minuten gekürzt, um eine Chance zu haben, dass er für Unterrichtsstunden bei der Bundeszentrale für politische Bildung gelistet würde. Vergebens. Da hätte Esther ihre Konzerte nicht Fidel Castro widmen dürfen und sich nicht aus vollem Herzen darüber freuen dürfen, dass ein Land den Sozialismus errichten will. Gründe genug für eine Ablehnung. „So sind sie eben“, hätte Esther gesagt. Es gab intensive Überlegungen im Publikum, wie man das trotzdem noch mit den Unterrichtsstunden hinkriegt. Es gäbe ja auch noch die Landeszentralen für politische Bildung, religiöse Institutionen und vielleicht könne ja die GEW helfen. „Könnt ihr den Film nicht auch mal in der roten Flora zeigen?“ meldete sich jemand.
Berührend war im Film auch das Interview, das Jorgito mit Esther geführt hat. Er kam 1993 mit einer schweren spastischen Lähmung auf die Welt und konnte dennoch Journalismus studieren, „weil er unter der schützenden Hand der Revolution aufwachsen konnte“, wie er selbst sagt. Nach dem Besuch in der jüdischen Gemeinde, der auch gefilmt wurde, vertraute der Vorsitzende des Vorstands Tobias Kriele an, wie froh er war, dass eine Überlebende von Auschwitz den Weg zu ihnen gefunden hätte. Er wäre selber zu Besuch in der Gedenkstätte gewesen und es wäre sehr schwer für junge Kubaner sich Diskriminierung und Lebensbedrohung vorzustellen. In Kuba müsste niemand und keine Einrichtung vor Gewalt und Verfolgung geschützt werden.
Musik hat Esther wie ein treuer Schutzengel während ihres ganzen Lebens begleitet. „Für das Leben“ hieß ihre erste CD. „Wir singen Lieder gegen den Krieg und für die Liebe“, sagte sie. Sie war dagegen, dass so viel Geld in Armeen und Waffen gesteckt wird. Was hätte sie wohl zu dem gigantischen Aufrüstungsprogramm gesagt, das jetzt ohne gesellschaftliche Debatte zeitlich unbegrenzt in der Verfassung verankert werden soll? Sie hat es nicht mehr erlebt. Sie hätte es sicher bekämpft als eine der über 6000 Frauen aus ganz Europa, die im Frauen-KZ-Ravensbrück für die Rüstungsindustrie zwangsarbeiten mussten.
Das Publikum hat sich wohlgefühlt und bedankt. Nach dem Ende der Veranstaltung bildeten sich viele kleine Gruppen vor dem Kino und es wurde viel diskutiert. Auch drüber, ob in Kuba trotz der schwierigen materiellen Situation der Himmel aufgeht.
Bericht über die Veranstaltung am 2. 4. 2022 von Brigitte Schiffler