Richtiger Schritt
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USA nehmen Botschaftsbetrieb in Havanna wieder auf. Vorheriger Abbruch durch Washington hatte schwerwiegende Folgen
Von Volker Hermsdorf
Trotz weiterhin verschärfter Sanktionen haben die USA in der vergangenen Woche angekündigt, dass ihre Botschaft in Havanna den Betrieb wieder aufnehmen und Dienstleistungen anbieten wird. Wie der Geschäftsträger der diplomatischen Vertretung, Timothy Zúñiga-Brown, am Donnerstag erklärte, soll zunächst damit begonnen werden, »schrittweise und unbegrenzt« Visa auszustellen. Laut der spanischen Agentur Efe versicherte der US-Vertreter, dass die Entscheidung dazu diene, »das diplomatische Engagement und die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft zu erleichtern«. Einen Zusammenhang mit der steigenden Zahl von Kubanern, die versuchen, US-Hoheitsgebiet zu erreichen, habe der Diplomat zurückgewiesen. Während Washington kein konkretes Datum nannte, begrüßte der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez die Ankündigung am Freitag bereits als »Schritt in die richtige Richtung«.
Mit dieser Entscheidung wird zum ersten Mal seit dem Amtsantritt von US-Präsident Joseph Biden eines seiner Wahlkampfversprechen zu den Beziehungen zu Kuba eingelöst. Biden hatte zugesagt, unter seinem Vorgänger Donald Trump gegen die Inselrepublik verhängte Maßnahmen wieder zurückzunehmen. Dazu gehört auch der seit September 2017 auf Anordnung der Trump-Regierung erfolgte Abbau des diplomatischen Personals in Havanna. Das State Department hatte die damit verbundene Einstellung der Visabearbeitung mit einer »Häufung von mysteriösen Erkrankungen« begründet. Die US-Regierung behauptete, dass den Mitarbeitern mit »hochentwickelten Schallwaffen« durch kubanische und russische Agenten bewusst gesundheitliche Schäden zugefügt worden seien. Als Diplomaten verschiedener Nationen auch in anderen Ländern über ähnliche Beschwerden klagten, bezeichneten westliche Politiker und Medien derartige Symptome in diskreditierender Absicht als »Havanna-Syndrom«. Im Januar 2022 musste auch der US-Auslandsgeheimdienst CIA eingestehen, dass die Beschwerden »nicht auf Operationen ausländischer Agenten« zurückzuführen seien. Kubas Außenminister Rodríguez erinnerte am Wochenende daran, dass der Abzug des Botschaftspersonals eine »einseitige Entscheidung« war, die »auf unbegründeten Anschuldigungen beruhte«. Die Aktion sei ein »Akt der feindseligen Politik der US-Regierung gegen Kuba« gewesen.
Das Onlineportal Cubadebate bezeichnete die Einstellung der konsularischen Dienstleistung als »schweren Schlag für viele Kubanerinnen und Kubaner, die gezwungen waren, in ein Drittland wie Kolumbien oder Guyana zu reisen, um ein Visum zu beantragen«. Rodríguez ergänzte per Twitter: »Die Folgen waren sehr schädlich für die kubanischen Familien und die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten.« Er warf den USA vor, ein Migrationsabkommen nicht einzuhalten, in dem die Erteilung von 20.000 Visa pro Jahr vereinbart worden war. Die USA hätten die »irreguläre Migration gefördert und Menschenleben gefährdet«, indem sie ihre Botschaft in Havanna faktisch geschlossen, die Blockade mit mehr als 200 neuen Maßnahmen verschärft, die Überweisungen eingeschränkt und das Migrationsabkommen verletzt haben, kommentierte die Agentur Prensa Latina. »Die US-Regierung trägt damit ein hohes Maß an Verantwortung für den irregulären Zustrom kubanischer Bürger und die illegale Ausreise auf dem Seeweg und auf anderen Routen«, zitierte Efe Ernesto Soberón, den für konsularische Angelegenheiten und im Ausland lebende kubanische Staatsbürger zuständigen Abteilungsleiter im Außenministerium.
Während Havannas Chefdiplomat die Ankündigung Washingtons jetzt als »richtigen Schritt in den bilateralen Beziehungen« würdigte, erklärte die demokratische Kongressabgeordnete Barbara Jean Lee aus Kalifornien, dass die Wiederaufnahme der diplomatischen Tätigkeiten zwar »ein wichtiger Schritt in der Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern« sei, dem aber weitere folgten müssten. Die Vertreterin Kaliforniens im US-Repräsentantenhaus forderte Biden auf, »diesen Weg fortzusetzen, um die jahrzehntelange verfehlte Politik gegenüber der Insel zu ändern«.