In Lila und Grün vereint
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Hunderttausende fluten am Frauenkampftag Straßen Lateinamerikas. Nirgendwo sonst erfährt feministische Bewegung derzeit soviel Aufwind
Von Sara Meyer
Gehüllt in Lila und Grün haben Feministinnen in ganz Lateinamerika am Dienstag erneut ihre Stärke demonstriert. Am 8. März, dem Internationalen Frauenkampftag, hallte es durch die Städte der Region: »Vereint werden wir niemals besiegt werden!«, »Wir wollen uns lebend!« und »Es reicht!«. Besonders Mexiko und Argentinien gelten seit Jahren als Zentren der feministischen Bewegung.
Ungeachtet der Freude über die kürzlich entschärften Gesetze zu Schwangerschaftsabbrüchen in Mexiko, Kolumbien und Ecuador verlangen Feministinnen weiterhin die Achtung und Durchsetzung ihrer Menschenrechte. In El Salvador müssen Frauen im Falle einer Fehlgeburt jahrzehntelang ins Gefängnis, da dies als Totschlag geahndet wird. In Guatemala zog das Parlament das ohnehin restriktive Abtreibungsgesetz ausgerechnet am Dienstag weiter an.
Lateinamerika ist die Region, in der weltweit die meisten Femizide – das heißt Morde an Frauen wegen ihres Geschlechts – verübt werden. Gegenmaßnahmen greifen bisher kaum. Allein in Mexiko sind seit Jahresbeginn 357 Frauen »verschwunden«, das sind mehr als fünf täglich. Laut der Nationalen Beobachtungsstelle für Frauenmorde werden indes nur 75 Fälle als Femizide untersucht. Das Misstrauen gegenüber staatlichen Einsatzkräften ist daher groß. Auf Plakaten, Schildern und Transparenten der Demonstrierenden in Mexiko-Stadt und anderen Städten des Landes stand daher geschrieben: »Nicht die Polizei passt auf mich auf, meine Freundinnen passen auf mich auf«.
In Kolumbien herrscht derzeit nicht nur Wahlkampf – an diesem Sonntag wird das Parlament gewählt –, der von Forderungen nach mehr Gerechtigkeit für Frauen begleitet wird, sondern auch Feierstimmung: Am 21. Februar dieses Jahres beschloss das Verfassungsgericht, den Schwangerschaftsabbruch bis zur 24. Woche zu entkriminalisieren. Auf den Straßen der Hauptstadt Bogotá waren am Internationalen Frauenkampftag dementsprechend nicht nur wütende Forderungen, sondern auch Gesänge, Trommelklänge und Tänze präsent. Das Motto der Demonstration lautete in diesem Jahr: »Würde, Gerechtigkeit und Erinnerung«. Erstmals schloss sich dem Protestzug ein Kollektiv afrostämmiger Frauen an, dessen Mitglieder einen »antihegemonialen« und »antirassistischen« Feminismus forderten.
In Montevideo, der Hauptstadt Uruguays, verkündete die feministische Organisation »Tejido Feminista«: »Wir haben uns entschieden, heute gemeinsam zum Meer zu gehen, weil wir unsere Körper gegen Gewalt verteidigen.« Andere Teilnehmerinnen erklärten, sich gegen die »machistische, rassistische, klassenfeindliche und transphobe Kultur« auflehnen zu wollen.
In mehr als 50 Städten Brasiliens erhoben Feministinnen ihre Stimme gegen die frauenfeindliche Politik des ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro. In Chile, wo an diesem Freitag mit Gabriel Boric ein linker Sozialdemokrat das Präsidentenamt antritt, demonstrierten Tausende in mehr als 40 Städten des Landes ihre Unterstützung für eine neue Verfassung, in der die Rechte von Frauen deutlich mehr Gewicht bekommen sollen.
In Argentinien verknüpften die Protestmärsche die Wirtschaftskrise mit Kritik an der Regierung und den Forderungen der Frauenbewegung. In Buenos Aires spielten feministische Kollektive mit dem Motto »Die Schulden habt ihr bei uns« auf ihre Ablehnung des erst kürzlich vereinbaren Abkommens mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) an. Auch die mehr als 50 Frauenmorde, die allein in diesem Jahr bereits verübt worden sind, wurden thematisiert.