14. Biennale: Zensur und Erpressung hinter der Fassade
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Am letzten Freitag, bei der Eröffnung der Veranstaltung, wurde eine weitere beredte Zahl bekannt gegeben: 892 Künstler und Intellektuelle aus 42 Ländern hatten die Erklärung „Ja zur Biennale!“ unterzeichnet. So viele Menschen können sich nicht irren
Autor: Pedro de la Hoz |
Wirst du nach Havanna gehen? Wirst du Werke schicken? Hast du über die negativen Folgen einer solchen Aktion für deine Karriere nachgedacht? Was werden Ihre Galeristen und Händler sagen?
Derartige Druckausübungen sind keine Hirngespinste, sondern sehr real. Seit der öffentlichen Ankündigung der 14. Biennale von Havanna, die zwischen dem 12. November 2021 und dem 30. April 2022 stattfinden soll, wurde eine heftige Kampagne entfesselt, um die Veranstaltung zu blockieren.
Wenn es nur darum gegangen wäre, zur Nichtteilnahme aufzurufen, weil man gegen die Postulate der Veranstaltung ist oder weil man der Meinung ist, dass Kuba sie nicht verdient, hätten wir es mit einer dummen, bedauerlichen Position zu tun, und mit nichts anderem. Das Recht, sich zu verweigern, ist schließlich auch ein Recht.
Aber das Problem ist ein anderes. Die Blockade der Biennale – ich verwende diesen Begriff, weil sie eindeutig mit den Schikanen und dem Handels- und Finanzkrieg zusammenhängt, den die Regierungen der Vereinigten Staaten seit mehr als sechs Jahrzehnten gegen Kuba führen – offenbart eine klare politische Matrix, die in die Bemühungen der Machtzirkel des Nachbarlandes und der Figuren, die sie innerhalb der Insel bewegen, eingebettet ist, um die Ordnung zu untergraben und ihre ersehnte Veränderung des Systems zu erreichen, das die Mehrheit der Kubaner aus freien Stücken angenommen hat.
Man muss sich dabei nur die absolute Übereinstimmung des Mediendiskurses der einen (die Ultrarechten in den USA, die Terroristen in Florida, die Youtuber in ihren Diensten, die von den Bundesbehörden bezahlten Aufwiegler) und der anderen (diejenigen, die die Anti-Biennale-Kampagne gestartet haben) zugunsten der Blockade und der Subversion ansehen: Sie verbreiten die Vorstellung, dass in Kuba Unterdrückung, Folter, Verschwindenlassen, fehlende Freiheiten und Zensur herrschen.
Um es ganz offen zu sagen: Das Scheitern der Biennale wäre sowohl ein deutlicher Beweis für die internationale Isolierung eines unregierbaren und unhaltbaren Regimes als auch – für den Fall, dass sich im Land lebende kubanische Künstler dem Boykott anschließen – für einen irreparablen inneren Bruch. Nichts von alledem ist geschehen oder wird geschehen.
Die Biennale von Havanna und die kubanischen Künstler waren schon immer Zielscheibe der politischen Bestrebungen derjenigen, die eine 180-Grad-Wende in der Realität unseres Landes herbeiführen wollen. Die US-Nachrichtendienste haben im Rahmen von Missionen, die von Stiftungen, Universitäten und ähnlichen Einrichtungen durchgeführt werden, versucht, mit Einladungen, Stipendien und Preisen Kunstschaffende anzuziehen. Die diplomatischen Vertreter dieses Landes in Havanna gaben Künstlern, die zu Austauschzwecken reisten oder Promoter in den USA hatten, zu verstehen, dass die geringste kritische Äußerung gegen die Blockade oder gegen von jenen ausgeführte antikubanische Aktion und natürlich ein Entreten für die Revolution ein Hindernis für die Erteilung eines Visums sein könnte. Vielleicht dachten sie wie jener Opportunist der sagte, dass Künstler und Intellektuelle die Schwachstellen unserer Gesellschaft seien.
Im Jahr 2017 wurde die Insel von einem verheerenden Hurrikan heimgesucht, der schwere Schäden hinterließ, darunter auch an der Infrastruktur mehrerer kultureller Einrichtungen. Im darauffolgenden Jahr sollte die 13. Biennale von Havanna stattfinden, aber im Einvernehmen mit der nationalen Künstlergemeinschaft und mit dem Verständnis der meisten engagierten Teilnehmer beschlossen die Organisatoren, die Veranstaltung zu verschieben. Das war der letzte Strohhalm für eine kleine Gruppe, die zu diesem Zeitpunkt bereits das Haar in der Suppe gefunden hatte und ihre subversive Ausrichtung zeigte: Sie lancierten die so genannte 00Biennale unter dem Vorwand, dass die Biennale den Künstlern gehöre, dass man nicht mit ihrer Verschiebung gerechnet habe. Völlig falsch. Die Organisatoren einigten sich mit der Künstlergemeinschaft auf eine Verschiebung und ein Jahr später fand die 13. Biennale unter dem Motto “Die Konstruktion des Möglichen” statt. Nachweislich stellte sich die sogenannte 00 Biennale von wenigen Ausnahmen abgesehen, wegen ihrer Absicht das Wesen des Ereignisses zu pervertieren, ihre historische Entwicklung zu ignorieren und einen Raum zu usurpieren, um politische Orientierungen zu kanalisieren, die der Kunst fremd sind, buchstäblich als eine Doppelnull ohne jegliches Gewicht innerhalb der kunstschaffenden Avantgarde der Insel heraus.
Gegen die 14. Biennale haben mehrere der Protagonisten des gescheiterten Versuchs von 2018 ihre Aktivitäten wieder aufgenommen. Sie brachten nicht einmal mehr die Möglichkeit eines marginalen Kreislaufs ins Spiel, sondern wollten die Biennale zu etwas machen, das weder Fisch noch Fleisch ist. Eine der aktivsten Akteurinnen, eine Künstlerin mit unbestreitbarem Talent sowohl für die Erneuerung ästhetischer Ansätze als auch für den Verrat an ihrem Heimatland, hat die letzten Wochen damit verbracht, von einem Ort zum anderen zu laufen, um antikubanische Allianzen mit Mitgliedern der extremen Rechten Venezuelas und Nicaraguas zu schmieden, mit Pressemedien, die von den Geldern subventioniert werden, die Washington gegen Kuba bereitstellt, und mit Sängern, die unter dem Befehl der Estefans in Miami stehen, zu überzeugen versucht, von denen sie sich belehren lassen musste: „Eure Wut und eure Unzufriedenheit sind nicht nützlich“. Ihr müsst weiter gehen, gegen die Institutionen und die überwältigende Mehrheit eurer Landsleute vorgehen, die arbeiten, um weiter voranzukommen.
Es ist merkwürdig, dass diejenigen, die die kubanischen Institutionen der Zensur beschuldigen, diese am Ende selbst ausüben. Vielleicht liegt darin ihre versteckte Berufung. Von welcher Art von Freiheit kann man sprechen, wenn im Namen der Freiheit Kollegen, die nur danach streben, ihre Werke in einem inklusiven und für die verschiedensten Tendenzen in der zeitgenössischen Kunst offenen Raum zu zeigen und ihr Schaffen, an einem Ort zu konfrontieren, an dem die gewagtesten, umstrittensten und transgressivsten Vorschläge einen Platz haben, bis hin zur Erpressung unter Druck gesetzt werden.
Es ist an der Zeit, die Rechnung aufzustellen. Nicht mehr als zehn Künstler und Theoretiker, die zuvor vom Kuratorenteam der Biennale ausgewählt worden waren, lehnten ihre Teilnahme ab. Eine Frage der Zahlen: 300 gegen zehn. Berücksichtigen wir noch eine weitere Tatsache: Unter denjenigen, die sich für einen Boykott ausgesprochen haben, befinden sich einige bekannte Persönlichkeiten, die an früheren Ausgaben in Havanna teilgenommen haben. Dieses Mal ging man nicht von ihrem Kommen aus. Auf der Pressekonferenz der Veranstaltung nannte ein Freelance Journalist einen Namen, woraufhin die Organisatoren antworteten: “Er stand nie auf dem Plan, er wurde nicht einmal kontaktiert“.
Am letzten Freitag, bei der Eröffnung der Veranstaltung, wurde eine weitere beredte Zahl bekannt gegeben: 892 Künstler und Intellektuelle aus 42 Ländern hatten die Erklärung „Ja zur Biennale!“ unterzeichnet. So viele Menschen können sich nicht irren.