Aufbruch in Peru
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Wahlgericht: Neuer Präsident wird Linkskandidat Castillo. Unterlegene Fujimori hetzt weiter
Von Frederic Schnatterer
Nun ist es offiziell. Am Montag (Ortszeit) hat das Wahlgericht JNE in Peru den Linkskandidaten Pedro Castillo zum neuen Präsidenten des Landes erklärt. Demnach setzte sich der Grundschullehrer und Gewerkschafter der marxistisch-leninistischen Partei Perú Libre mit einem Vorsprung von 44.058 Stimmen gegen seine Herausforderin Keiko Fujimori durch. Die Tochter des früheren Diktators Alberto Fujimori kam in der zweiten Runde auf 49,87 Prozent.
Ganze sechs Wochen sind seit der Stichwahl um das Präsidentenamt vergangen. Aufgrund der äußerst knappen Ergebnisses hatte Fujimori alle Hebel in Gang gesetzt, um ihre Niederlage anzufechten. So warf sie Castillo und seinen Anhängern »Wahlbetrug« vor und reichte mehr als 270 Beschwerden und Einsprüche beim JNE ein. Nun befand das Wahlgericht auch die letzten davon für unbegründet.
Am Abend dankte Castillo dem »peruanischen Volk für diesen historischen Triumph«. Über den Kurznachrichtendienst Twitter erklärte er: »Der Moment ist gekommen, alle Gesellschaftssektoren dazu aufzurufen, gemeinsam ein vereintes, inklusives, gerechtes und freies Peru aufzubauen.« Weiter kündigte der Linkskandidat an: »Heute beginnt eine neue Etappe in unserer Geschichte.«
Die unterlegene Fujimori erklärte am Montag gegenüber der Presse, sie erkenne die Entscheidung des Wahlgerichts an. Gleichzeitig bekräftigte sie allerdings die Behauptung, es sei zu Wahlbetrug gekommen. »Die Verteidigung der Demokratie endet nicht mit der illegitimen Ausrufung von Pedro Castillo. Diese Verteidigung beginnt gerade erst.« Ihre Anhänger rief sie dazu auf, weiter auf die Straße zu gehen, dabei jedoch auf Gewalt zu verzichten.
In den Wochen nach der Stichwahl hatten Unterstützer der Rechtskandidatin regelmäßig gegen den Wahlsieg Castillos demonstriert. Dabei kam es auch immer wieder zu schwerer Gewalt. Erst am vergangenen Mittwoch verwüsteten Anhänger Fujimoris im Verbund mit faschistischen Gruppen Teile des Zentrums der Hauptstadt Lima. Eine Erstürmung des Präsidentenpalastes verhinderte die Polizei unter Einsatz von Tränengas. Ziel der Randalierer war es, den Übergangspräsidenten Francisco Sagasti zur Ausrufung von Neuwahlen zu zwingen, um so den Amtsantritt von Castillo zu verhindern.
Seit Castillos Sieg in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl setzten die Rechte und das weiße Bürgertum im Verbund mit den großen Medien des Landes auf eine von Rassismus und Antikommunismus geprägte Hetzkampagne. Auch am Montag legte Fujimori noch einmal nach und erklärte, sie sei sich »absolut sicher, dass die Peruaner nicht zulassen werden, dass Pedro Castillo Peru in Kuba oder Venezuela verwandelt«. »Peru braucht alle sozialen und politischen Kräfte, vereint angesichts der großen Herausforderung, den Kommunismus zu stoppen.« In der Parteizentrale von Perú Libre in Lima rief Castillo seine Kontrahentin hingegen dazu auf, die Angriffe einzustellen: »Ich bitte Frau Fujimori, keine weiteren Hürden aufzubauen, so dass wir das Land voranbringen können.«
Castillo, der durch seine Rolle bei einem Lehrerstreik 2017 landesweit bekannt wurde, steht für einen Bruch mit der traditionellen peruanischen Politik. So fokussierte er, der sich betont ländlich mit Poncho und Hut kleidet, während des Wahlkampfs vor allem die in ihrer Mehrheit indigene Landbevölkerung, die von den »Eliten« der Hauptstadt rassistisch verschmäht und aktiv ausgegrenzt wird. Das Programm von Perú Libre sieht eine Nationalisierung der natürlichen Rohstoffe und die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung vor.
Wie weit das teils radikale Programm nun wirklich umgesetzt werden wird, bleibt angesichts des enormen Drucks durch Kapitalkreise und Medien allerdings abzuwarten. Nachdem nach ersten Hinweisen auf den Wahlsieg Castillos die Kurse an der Börse des Landes teils eingebrochen waren, versuchte der künftige Präsident die Anleger zu beruhigen. So erklärte er Ende Juni beispielsweise, den Direktor von Perus Zentralbank, Julio Velarde, an der Spitze des Geldinstituts belassen zu wollen. Castillo wird die Präsidentschaft am Mittwoch kommender Woche offiziell antreten – am 200. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung des Landes.