Kulturkrieg gegen Cuba
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Kulturkrieg gegen Cuba
Der karibische Inselstaat befindet sich wieder im Fadenkreuz des Imperiums. Nicht nur nahmen die USA die Corona-Pandemie von 2020 ff. zum Anlass, die seit über 60 Jahren existierende Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade gegen das sozialistische Nachbarland nochmals zu verschärfen. Nun haben sie in Cuba junge Leute in Lohn und Brot gesetzt, um einen regelrechten Kulturkrieg zu entfachen. Ein Land, dessen enormer kultureller Reichtum umgekehrt proportional zu seiner Größe ist, muss sich eines Grüppchens von „Miserables“ erwehren. Und diese werden international von einer Medienarmee mit Fake-News unterstützt. Richtigstellungen tun hier Not, zumal dieses Vorgehen der USA und ihrer Freunde nicht nur im Bereich der Kultur, sondern in vielen anderen Sektoren gegen Cuba praktiziert wird.
Dialog ohne Thema?
Eduardo Galeano nannte solche Leute, wie sie sich in Grüppchen wie MSI oder N27 gegen das cubanische Gesellschaftssystem wenden, einmal „Vertreter der Verpackungskultur“ – Personen, die an der Beerdigung, aber nicht an dem Toten interessiert sind, an der Hochzeit, aber nicht an der Braut. Sie behaupten, keine Meinungsfreiheit zu haben, eine Klage, die ständig vorgebracht wird, ohne dass sich einer die Mühe gemacht hätte zu erklären, welche ihrer Ideen oder Gedanken denn unterdrückt werden. Genauso wenig lassen sie davon ab, einen Dialog zu fordern, ohne dass man bis jetzt wüsste, über was sie eigentlich sprechen wollen. Und sie nutzen keine der zahlreichen und vielfältigen demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten in Cuba.
Auch bei der Demo vor dem Kulturministerium in Havanna an jenem 27. Januar 2021 spielte das Wort „Dialog“ die Hauptrolle. Das Häuflein derer, die lautstark Dialog forderten – an die zwanzig, die Hälfte von ihnen Korrespondenten von Medien mit Sitz in Spanien und den USA – zeigte sich indes erstaunlich dialogunwillig und weigerte sich mitzugehen, als es vom Vizeminister ins MINCULT (Ministerium für Kultur) persönlich eingeladen wurde.
Waren sie denn nicht genau deswegen hergekommen? Nein. Eine ernsthafte Debatte war von ihrer Seite in dem Szenario von Anfang an nicht geplant. Die Demonstranten wären damit auch völlig überfordert gewesen. Sie waren auf so etwas nicht vorbereitet. Ein Gespräch hätte man ja – Gott behüte! – mit Inhalt und womöglich konkreten Alternativen füllen müssen.
Was ihnen vielmehr vorschwebte, war eine inszenierte Show für die Galerie. Eine Ehrabschneidung hier, eine Provokation da, ein Knuffen und Puffen dort – und irgendwann wird einem der geplagten Beamten doch wohl hoffentlich die Hand ausrutschen und die Pressemenschen mit ihren Kameras hätten ein Motiv fürs Blitzlichtgewitter. Motto: Die Diktatur zeigt ihr wahres Gesicht.
Das hat jedoch nicht geklappt. Ebenso wenig wie das plötzlich von einem jungen Mann ins hingehaltene Mikrophon gerufene „Polizisten mit Pistolen“. Negative Vorurteile wollen bedient werden und eines der gängigsten ist das vom „Polizeistaat“ Cuba. Da passen Uniformierte, die mit Schusswaffen herumfuchteln, doch gut. Ungeschickterweise landeten die entsprechenden Bilder nicht auf YouTube. Weil es allem Anschein nach keine gab. Höchstwahrscheinlich mangels Polizisten mit Pistolen.
Weiche Putsche nach Rezept
Nochmal zu den Mitarbeitern des MINCULT, die man so gern dazu gebracht hätte, übergriffig zu werden. Die Demonstranten behaupteten am Ende einfach, dies sei geschehen. Wenn sich ein gewünschtes Ereignis nicht von selbst einstellen will – die Luft gibt es her. Man muss es nur aus ihr herausgreifen. Und an der Wahrheit ist keiner von ihnen und ihren Helfershelfern in Washington und Miami im Mindesten interessiert. Nur am vielbeschworenen „Regime Change“ und der Zerstörung einer besseren und alternativen Gesellschaftsordnung.
Warum aber der hartnäckige Versuch, gerade die Kulturoffiziellen als etwas hinzustellen, das sie nachweislich nicht sind? Weil man, wie der Granma-Autor Raúl Capote festhält, „der Welt das Bild einer Institutionalität verkaufen will, die von den Kreativen, den Künstlern, abgekoppelt ist. Und um die Antipathie gegen Cubas Beamte zu schüren, die als gewalttätige Leute dargestellt werden sollen, taub für jegliche Verständigung“. Die im Voraus abgesteckte Mission bestand darin, die Behördenvertreter durch Geringschätzung und gezielte Provokationen zum Handeln zu zwingen. Sie erstrebten den „Schock“, den eine spontane Notwehrhandlung auslösen würde.
Es ist eine Taktik nach dem Handbuch für „sanfte Staatsstreiche“, das Gene Sharp, US-amerikanischer Politikwissenschaftler, ersonnen hat. Weitere Stichwörter hierzu sind „Zentrum für Angewandte Gewaltfreie Aktionen und Strategien“ (englisch: „Center for Applied Nonviolent Action and Strategy“ oder – griffiger – CANVAS) und „Otpor“, eine Bewegung, die hinter den „Farbenrevolutionen“, etwa der orangenen in der Ukraine, stand.
Eine der ersten Bedingungen, die bei der Entwicklung eines „sanften Staatsstreichs“ zu erfüllen sind, besteht darin, „Quellen von Verachtung, Gewalt und Chaos zu erzeugen“, Regierungsinstitutionen, deren Mitarbeiter, zu bedrängen (daher das Begeifern cubanischer Beamter) und Besorgnis, Misstrauen und Angst zu säen. Hätte man mit den Provokationen Erfolg gehabt, wäre das weitere Vorgehen gewesen, an Ort und Stelle zu bleiben, die Medien zu nutzen, die Teil der Performance waren, günstige Meinungsbilder zu schaffen, mehr Akteure über soziale Netzwerke anzulocken und einen kleinen Maidán am Ministerium für Kultur zu konstruieren – dieser alte und so oft fehlgeschlagene Traum der CIA, die Ereignisse von Kiew in Havanna neu aufzulegen.
Wenn es gelungen wäre, den für einen Aufruhr notwendigen Zündsatz zu generieren, wer hätte da noch von den „Künstlern“ gesprochen, die einen Dialog einfordern und ihn dann selber wiederholt sabotieren und verweigern? Wenn es gelungen wäre, die Teilnehmer an der Antiregierungsaktion in die Opferrolle zu erheben, wären Stimmen, die nach interventionistischen Aktionen rufen, lauter geworden. Und dreimal dürfen wir raten, welches Land sich wohl als Retter in der Not aufgedrängt hätte.
Happening in der Altstadt
Angefangen hatte alles genau zwei Monate vorher, am 27. November 2020, als man die sogenannte San-Isidro-Bewegung aus der Taufe hob. Das Viertel San Isidro in La Habana Vieja hatte in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts den zweifelhaften Ruf, eine libertäre Zone zu sein. Das bedeutete, dass der ohnehin schon schlechte Leumund der cubanischen Hauptstadt als Bordell der USA hier ganz besonders ausgeprägt war. Sehr zum Leidwesen der einfachen, rechtschaffenen Bewohner. Es versteht sich, dass jener Missstand mit dem Sieg der Revolution in Cuba 1959 ein jähes Ende nahm.
Bis jene „jungen Künstler“ kamen und mit ihrem treffsicheren Instinkt für das Falsche San Isidro wieder den Touch des Halbseidenen gaben. Ihre initiale Aktion war ein Hunger- und Durststreik, bei dem bösen Zungen zufolge viel gegessen und getrunken wurde. Als Auslöser fungierte der Rapper Denis Solís, den die Regierung angeblich hatte verschwinden lassen. In Wirklichkeit saß er wegen Beamtenbeleidigung ein. Seine Verbalinjurien – man erspare uns Einzelheiten – hatten für einige Monate Gefängnis ausgereicht. Er hatte das Urteil nicht mal angefochten. Dessen ungeachtet verweigerten die Aktivisten (offiziell) die Nahrung, denn ihre Egozentrik/Egomanie stieß an Grenzen. Selbstverständlich wurden sie von Mitarbeitern der US-Botschaft in Havanna besucht und in der einen oder anderen Weise unterstützt – vor allem mit medialer Aufmerksamkeit.
Begleitend ließen sie über Nachrichten und soziale Netze Besorgniserregendes über ihren Gesundheitszustand verbreiten, so dass in bestimmten Kreisen schon über ihren drohenden Tod geargwöhnt wurde. Dies zu glauben fiel allerdings schwer, da die „Sterbenden“ Bilder von Happenings schalteten, auf denen sie vor Ort ausgelassen tanzten und sprangen. Anscheinend nahmen sie sich selbst nicht ganz so ernst, wie es die Medien des freiheitsbeflissenen Abendlandes unbeirrbar taten. Raúl Capote hierzu: „Künstlerische Bewegungen zu fabrizieren, die von angesehenen internationalen Organisationen unterstützt werden, zu versuchen, die seltsame Metamorphose von Pseudo-Kunst in Avantgarde-Kunst zu erreichen, um diese Elemente gegen die Revolution zu verwenden, ist das Ziel, das von den US-Spezialdiensten verfolgt wird.“
Wenn man den Anführer der San-Isidro-Aktivisten, Luis Manuel Otero Alcántara, bei seiner sodomitischen Pantomime, seinem Auftritt im Damenhöschen oder seinem in die cubanische Nationalflagge gewandeten Hocken auf dem Klo betrachtet, braucht es viel Phantasie, sich vorzustellen, derlei könnte irgendwann einmal zur Kunst geadelt werden.
Man hatte seinen Spaß gehabt und musste sich etwas seriöser geben. Es kam zu der ersten Versammlung vor dem Kulturministerium, wo die Protagonisten zur Verstärkung auf soziale Netzwerke zurückgriffen, über die sie dann die – wohl auch von ihnen erwarteten – üblichen Halluzinationen wie den Einsatz von Tränengas, Pfefferspray u. ä. kolportierten. Problematisch ist, dass der Unfug, der über dieses Land verbreitet wird, so hanebüchen gar nicht sein kann, als dass er nicht von vielen bereitwillig geglaubt würde. Propagandaklischees aller Art hat die CIA schließlich jahrzehntelang auf ihrer Agenda gehabt. Nun versucht sie die Ernte einzufahren.
Der Diskurs der Demo-Teilnehmer war gleichsam als totale Umkehr eines berühmten Ausspruchs Fidel Castros Gegen die Revolution alles, mit der Revolution nichts! Pedro de la Hoz hält ihnen vor, „politische Absicht unter dem Deckmäntelchen künstlerischer Anliegen zu verbergen, Dialogbereitschaft vorzutäuschen, wenn das, was man eigentlich vorhat, nur ein imposanter und disqualifizierender Monolog ist“. Außer Phrasen und Gemeinplätzen nichts gewesen. Auffällig auch das offensive Verhalten der vom NED (National Endowment for Democracy) und USAID (United States Agency for International Development) finanzierten Medien gegen Vertreter des Ministeriums. Diese Medien nennen sich unabhängig. Cubanische Journalisten hingegen machen sich nicht mal mehr die Mühe, dieses unabhängig ironisch in Gänsefüßchen zu setzen. Sie sprechen unverblümt und direkt von abhängigen Medien.
Richtiges Anliegen, falsches Trittbrett
Hier ein notwendiger Einschub: Bei diesem ersten Treffen vor dem MINCULT waren die Teilnehmer noch heterogen. Die Reality Show war untermischt von wirklich unzufriedenen Kulturschaffenden, wie dies in vielen anderen Ländern wegen der Pandemie der Fall ist. Abel Prieto, Schriftsteller und viele Jahre Kulturminister in Cuba, sagt dazu folgendes: „Viele (die meisten) derjenigen, die sich am 27. November 2020 vor den Türen des Kulturministeriums versammelten, waren von der Atmosphäre in den Netzwerken beeinflusst. Nur wenige wussten, was tatsächlich in San Isidro passiert war. Vielleicht hatten einige von ihnen die eine oder andere schlechte Erfahrung gemacht und fühlten sich verletzt. Ich denke, sie wollten ehrlich mit der Institution in Dialog treten.“ An anderer Stelle nennt er sie „wertvolle junge Menschen, auf die eingegangen werden muss“. Prieto räumt außerdem ein, „dass es Fehler, Missverständnisse und Ungereimtheiten gegeben hat“.
Wie auch nicht? So wenig Cuba die Hölle ist, die andere gebetsmühlenartig herbeireden, so wenig ist es eine Insel der Seligen. Selbstverständlich gibt es Missstände! Aber wenn man diese legitimerweise vor dem richtigen Adressaten ansprechen will, sollte man sich nicht an Politclowns dranhängen, deren Sehnsüchte alle das Wasserzeichen des Dollars tragen.
Ein garstig‘ Lied
Die ganz andere Seite: Es gab einige cubanische Künstler – Descemer Bueno und Gente de Zona seien als Beispiele erwähnt –, die im Bestreben, viel Geld zu verdienen und gleichzeitig der Politik zu entfliehen, ziemlich lange zwischen Havanna und Miami pendelten, bis die exilcubanische reaktionäre Gemeinde die Geduld mit ihnen verlor und ihnen die Rechnung präsentierte. Fast wären sie aus den USA, dem Mekka des Marktes, ausgewiesen worden. Man hatte ihnen die Aufenthaltsgenehmigung entzogen und ihre Konzerte in den Staaten abgesagt, nachdem sie die cubanischen Ärzte gelobt und sogar Cubas Präsidenten bei einem Auftritt in Havanna von der Bühne aus begrüßt hatten. Vor die Wahl gestellt zwischen Vaterland und Karriere, optierten sie für letzteres.
Die Zeche zahlen sie immer noch. So sahen sie sich gezwungen, ihre persönliche Geschichte öffentlich schlechtzumachen, darüber zu lästern und sie umzuschreiben. Texte wie „Ich kehre in die Wiege zurück, die sah, wie ich geboren wurde / ich kehre in das Viertel zurück, das sah, wie ich laufen lernte / das, was ich war, was ich bin, werde ich für meine schöne Insel sein“ sind ein absolutes No Go für die Zukunft. Der von „Gente de Zona“, der Miguel Díaz-Canel begrüßt hatte, sagt heute: „Es war ein Fehler, aber ich hatte Angst.“ Welche Bodenlosigkeit! Wer das Konzert gesehen hat, erinnert sich, dass die Atmosphäre unmöglich entspannter hätte sein können. Die Band fühlte sich durch die plötzliche Anwesenheit des Präsidenten sichtlich geschmeichelt.
Die jüngste Buße für ihre Sünden gegen den Kapitalismus besteht in einem Lied. „Patria y vida“ heißt es in Anspielung auf den Leitspruch der cubanischen Revolution „Patria o muerte“. Plump ist der Versuch, hier einen Kontrast herzustellen. Als ob nicht die Verteidigung des Lebens in „Vaterland oder Tod“ enthalten wäre! Als ob nicht die Bereitschaft der Cubaner implizit wäre, das unabhängige Vaterland und das Leben aller zu behüten! Es sei daran erinnert, dass der Ausspruch zum ersten Mal auf der emotionsgeladenen Trauerfeier fiel, nachdem im Hafen von Havanna das französische Schiff „La Coubre“ im März 1960 mit viel Munition und Waffen für die cubanische Revolution an Bord durch zwei Zeitbomben in die Luft gesprengt worden war. Die angenommene Zahl von etwa hundert Toten setzt sich heute noch zu einem Viertel aus „Vermissten“ zusammen – Leuten, die buchstäblich atomisiert worden sein müssen. Ein Terroranschlag und historischer Bezug, der dem Musiktitel zusätzliche Frivolität verleiht …
Laut der spanischen Nachrichtenagentur EFE ist das Lied – was für eine Überraschung! – „offen gegen die Regierung Cubas und deren Politik gerichtet“ („Ihr seid schon überflüssig, euch bleibt nichts mehr, ihr seid auf dem Abstieg, das Volk ist es leid, euch zu ertragen“). Ansonsten gibt es die übliche Litanei des konterrevolutionären Diskurses: Ein Cuba unter einer Diktatur, in dem die Lüge, die Repression und die Folter dominieren.
Eine US-Journalistin, die offenbar ihre Hausaufgaben gemacht hat, schreibt: „Eine der Beleidigungen, die in den cubanischen Medien gegen die Interpreten fortbesteht, ist die, dass sie >vom Imperium bezahlt sind<. Diese Fixierung auf eine Tatsache, die in der ganzen Welt üblich ist, nämlich für ein Kunstwerk eine Bezahlung zu erhalten, ist besonders schockierend für alle, die außerhalb Cubas leben und für viele, die versuchen, sich auf der Insel unabhängig zu machen:“ Für Enrique Ubieta ein Scheinargument: „Es geht nicht um die Bezahlung eines künstlerischen Werkes. Es geht um die Kollaboration mit den Feinden des Landes. Glaubt wirklich jemand, dass das Gehalt von irgendeiner staatlichen Institution deines Landes mit dem Geld gleichzusetzen ist, das einer von dem Staat erhält, der die Absicht hat, dein Land zu unterwerfen?“ Zusammenarbeit mit einem Feindstaat ist auf der ganzen Welt eine Straftat: wer z.B. den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen sucht, d.h. „ihre Freiheit von fremder Botmäßigkeit aufzuheben“, §§ 81, 92 Abs. 1 StGB), macht sich strafbar. Nach Auffassung der USA und ihrer Freunde darf sich Cuba also nicht – gegen deren Angriffe – verteidigen. Eine äußerst interessante Rechtsauffassung!
Verrücktheiten
Hier ein paar Beispiele dafür, welch schräges Zeug die Subversion sich einfallen lässt, um ihre Leute ins rechte Licht zu rücken:
Antonio Rodríguez fand unlängst einen Eintrag in den sozialen Medien, der ernsthaft zum Kunststreik in Cuba aufforderte. Als Protest gegen die cubanische Kulturpolitik sollte keiner mehr in kulturellen Einrichtungen Cubas Kunst machen. Und nicht nur die Kunstgalerien und Kulturhäuser sollten boykottiert werden, sondern auch die Theater und Kinos! Und dieser Aufruf kommt sinnigerweise zu einer Zeit, da aufgrund von COVID-19 all diese Institutionen in Cuba eh geschlossen sind. Der Autor schreibt: „Das ist gerade so, als ob mir einfiele, zu einem Sonnenstreik in Havanna aufzurufen. Ich befehle der Sonne, dass sie zwischen 6.20 p.m. und 7:06 a.m. nicht scheinen soll und dann wollen wir doch mal sehen, ob sie sich daran hält.“
Ganz ähnlich der Aufruf dieser Leute vor einiger Zeit, um 9 Uhr abends für ihre Bewegung zu applaudieren – genau zu der Stunde, als die Bevölkerung jeden Tag der engagierten Arbeit ihrer internationalistischen Ärzte Beifall spendete.
Natürlich kann dieser Blödsinn nicht in Cuba funktionieren. Aber im Ausland? Weiß man im Ausland, dass es hier Lockdowns gibt wie überall auf der Welt? Vielleicht sieht der Betrachter die Bilder leerer, verschlossener Kultureinrichtungen und denkt sich: Wer hätte gedacht, dass die Gegenkultur schon so viel Einfluss hat! Und das allabendliche Klatschen an offenen Fenstern, von Balkonen und Terrassen für die Henry-Reeve-Kontingente? Eine innercubanische Angelegenheit. Warum sollte dieser Brite, jener Franzose, dieser Kanadier und jener Deutsche, die null mit der Insel zu tun haben, nicht glauben, dass fast ganz Cuba um 9 Uhr für die Konterrevolution klatscht?
Die Macher derartiger Fake News vertrauen auf die Uninformiertheit der meisten oder sie spekulieren zumindest damit. Und, Hand aufs Herz, ist dieses Kalkül so abwegig?
Die Kultur als Staatsangelegenheit
Kürzlich war im Vorfeld des 8. Parteitags im April 2021 zu lesen: „In dessen Blickpunkt steht zweifellos die Stärkung der kulturellen Einrichtungen und Organisationen der Künstler und Intellektuellen sowie der Dialog mit den Kulturschaffenden. Ihre Beiträge zur Entwicklung des Landes und dessen spirituellen Lebens sind entscheidend, besonders dann, wenn man beabsichtigt, die Kultur als Speerspitze gegen die Nation und unser sozialistisches System zu benutzen.“
Nichts anderes geschieht zurzeit. Und wenn es auch über die Maßen ärgerlich ist, dass eine mediokre Zirkusnummer ausreicht, die Apologeten westlicher Werte in Wallung zu versetzen und dass Cuba, das Wichtigeres zu tun hätte, als stetig auf Provokationen zu reagieren, keine Ruhe findet, so kann es doch zumindest keinen Zweifel mehr geben, dass die Gefahr erkannt ist. Dem Land bleibt keine Wahl: Es muss etwas ernstnehmen, das kein Ernstnehmen verdient.