»Es ist Gesetz«
Argentinien: Senat stimmt Legalisierung von Abtreibungen zu
Von Frederic Schnatterer
Um 4.12 Uhr am Mittwoch (Ortszeit) war es soweit: Nach einer 13stündigen Debatte stimmte die Mehrheit der Abgeordneten im argentinischen Senat für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. 38 Senatoren votierten für den Gesetzentwurf, 29 dagegen, einer enthielt sich. Nun dürfen Frauen in Argentinien bis zur 14. Schwangerschaftswoche abtreiben – legal, sicher und kostenfrei. Auch die Behandlung nach dem Eingriff wird vom Gesundheitssystem übernommen.
Zwei Wochen zuvor hatte bereits das Abgeordnetenhaus der Gesetzesinitiative zugestimmt. Sie war von der Regierung eingebracht worden, nachdem zuletzt 2018 eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen im Senat gescheitert war. Die bisherige Gesetzgebung aus dem Jahr 1921 sah bei einer Abtreibung sowohl für die Ärzte als auch die Frauen eine Gefängnisstrafe vor. Ausnahme bildeten Schwangerschaften infolge einer Vergewaltigung oder solche, die eine Gefahr für das Leben der Mutter darstellten.
Schätzungen der Regierung gehen von jährlich zwischen 370.000 und 520.000 heimlich vorgenommenen Abtreibungen aus. Allein 2018 starben mindestens 38 Frauen an den Folgen eines solchen Eingriffs, etwa 39.000 mussten im Krankenhaus behandelt werden. Darauf machte auch Norma Durango, Präsidentin der Sonderkommission für Frauen im Senat, während der Debatte aufmerksam: »Wenn die Abtreibungen weiterhin im verborgenen vorgenommen werden, werden weiterhin Frauen sterben.«
Die Legalisierung der Schwangerschaftsabbrüche ist ein Erfolg der feministischen Bewegung in Argentinien. Bereits den ganzen Mittwoch über hatten Aktivistinnen in mehreren Städten des Landes, besonders in der Hauptstadt Buenos Aires, »Mahnwachen« abgehalten – in grün gehüllt, seit 2005 Farbe der Feministinnen. Nachdem Vizepräsidentin Cristina Fernández de Kirchner im Morgengrauen das Abstimmungsergebnis verlesen hatte, kannte die Freude keine Grenzen. Jubelnd lagen sich Tausende in den Armen und skandierten: »Es ist Gesetz«.
Mit der Entscheidung ist Argentinien nach Uruguay, Guyana und Kuba das vierte lateinamerikanische Land, in dem Schwangerschaftabbrüche legal sind. Besonders die sozialistische Inselrepublik nahm mit der Legalisierung von Abtreibungen 1965 eine Vorreiterrolle in Sachen Frauenrechte ein. In Mexiko darf nur in der Hauptstadt sowie im Bundesstaat Oaxaca abgetrieben werden.
Während der argentinische Papst Franziskus sich vor der Abstimmung auf die Seite der Abtreibungsgegner gestellt hatte, lobte Präsident Alberto Fernández das neue Gesetz als zeitgemäß. Auf Twitter erklärte er: »Heute sind wir eine bessere Gesellschaft, die die Frauenrechte ausweitet und öffentliche Gesundheitsversorgung garantiert.« Frauenministerin Elizabeth Gómez Alcorta bezeichnete die Entkriminalisierung von Schwangerschaftabbrüchen als einen »Triumph der Frauen- und Diversenbewegung, die seit Jahrzehnten für dieses Gesetz kämpfen«. »Heute ist Argentinien gerechter geworden.«
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