Sommerliche und menschliche Wärme
Der Sommer macht die Menschen aufgeschlossener, aber Italien hatte bereits an einem Frühlingsmorgen begonnen, Kuba besonders ins Herz zu schließen, als nämlich eine Gruppe von Ärzten und Krankenpflegern der Insel zum ersten Mal die rote Zone betrat
juni 1, 2020 11:06:42
Es dürfte nicht so einfach sein, einer Unterhaltung im Haus von Dr. Jaime Zayas Monteaugut, Facharzt für Innere Medizin, mit einem Diplom in Intensivmedizin, folgen zu können.
Sein Schwiegervater und seine Frau sind ebenfalls Ärzte und einer seiner Söhne absolviert das 5. Studienjahr der Medizin. Es ist auch kein Zufall, dass seine 13-jährige Tochter sagt, sie möchte Neurologin werden, und erklärt, warum: In einer japanischen Serie habe sie einen „super interessanten“ Fall einer Patientin mit „amyotropher Lateralsklerose“ gesehen und sie werde natürlich die Ursachen entdecken.
Im Haus gibt es ein Regal, in dem nur medizinische Bücher untergebracht sind. Aber „wir wollen die Kleine zu nichts zwingen, ihre Mutter und ich haben darüber gesprochen“, sagt Jaime, der vor ein paar Tagen 48 Jahre alt wurde. Er stammt aus La Maya und lebt in Santiago de Cuba, wo er am Juan Bruno Zayas Krankenhaus arbeitet. Er lernte seine Frau während des Studiums kennen und im 5. Studienjahr wurden sie ein Paar, in dem Alter, das jetzt der zukünftige neue Arzt des Hauses hat.
Jaimes Frau ist Fachärztin für umfassende Allgemeinmedizin mit mehreren Weiterbildungsabschlüssen, Dozentin und Methodologin der medizinischen Fakultät der Universität. Ihr ganzes Leben lang hat sie sich der Lehre und den beiden gemeinsamen Kindern gewidmet.
Für zwei fast ununterbrochene Zeiträume war Jaime in Venezuela, von 2009 bis 2013 im Bundesstaat Miranda und dann von 2014 bis 2015 für 15 Monate im Krankenhaus von Mariara. Seine Frau musste sich allein um die Kinder kümmern, als der Junge im Teenageralter war.
Die andere weibliche Figur, die Jaime in seinem Leben viel bedeutet, ist seine Mutter: „Mein Vater war Lastwagenfahrer und meine Mutter Hausfrau. Dass ich inmitten der Sonderperiode, in den 90er Jahren, Arzt wurde, habe ich meiner Mutter zu verdanken, denn mein Vater war bereits verstorben und sie war alles: Mutter, Vater, Einkommensquelle, Inspiration … Ich schulde meiner Mutter viel. Ich bin ihr Spiegelbild und darauf bin ich sehr stolz.“
Aber dieser nachdenkliche, gemächliche, edelmütige Mann hat außerdem einen 31jährigen Sohn aus seiner ersten Ehe und eine Enkelin: „Ich war 17, als ich Vater wurde, stellen Sie sich das vor.“ Auch auf diesen Sohn, der Informatiker ist, und die Enkelin ist er stolz. Sie wohnen in seiner Heimatstadt La Maya, ganz in der Nähe des Hauses seiner Mutter.
Über seine Erfahrungen in Turin sagt er mir: „Die Technologie ist sehr gut, sie macht die Dinge einfacher, aber sie entfernt Sie ein wenig vom Patienten. Ein Computer in einem Büro, selbst wenn er alle Informationen enthält, ersetzt nicht das, was Sie an der Seite des Patienten wahrnehmen können, indem Sie ihn berühren, ihn untersuchen und das überprüfen, was der Computer sagt. Wir sind darauf eingestellt, Kranke und nicht Krankheiten zu heilen.“
Im Dora-Park (der früheren Stahlgießerei) in Turin nehme ich an der Einweihung eines Wandgemäldes teil, das der kubanischen medizinischen Solidarität gewidmet ist und von dessen ersten Pinselstrichen wir bei einem früheren Besuch Augenzeuge geworden waren.
Die Anwesenden sind sehr junge Leute, einige sogar Schüler der Sekundarstufe. Sie tragen schwarze T-Shirts. Für einige Minuten haben sie sich schweigend und regungslos vor dem Wandgemälde aufgestellt. Sie halten die Banner der drei Organisationen, denen sie angehören, die kubanische Flagge und Plakate hoch, die abwechselnd zwei Botschaften zeigen: „Rompere il bloqueo“ und „Nobel per la Pace alla Brigata Henry Reeve“.
Das Wandbild ist wunderschön: Neben der kubanischen Flagge und der vom 26. Juli gibt es Gesichter von Ärzten mit ihren Schutzmasken. In der Mitte: Fidel. Oben, von einer Seite zur anderen, sein Ausspruch „Ärzte und keine Bomben“. Unten, kleiner: „Patria é Umanitá“ und „Grazie Cuba“.
MEINUNGEN ITALIENISCHER ÄRZTE
Mindestens zehn sehr junge italienische Ärzte arbeiten im Krankenhaus. Sie haben einen Zweimonatsvertrag unterzeichnet, der diese Woche ausläuft, und es gibt keinen Hinweis darauf, dass er verlängert wird. „In der Tat sind wir nicht für die Schichten der nächsten Woche eingeteilt“, sagt der 25jährige Humberto, der Spanisch spricht, weil er sein Praktikum in Spanien absolviert hat.
„Wenn der Vertrag nicht verlängert wird, werden die meisten von uns versuchen, die Prüfung zu bestehen, die es uns ermöglicht, ein Facharztstudium zu beginnen, und wir werden zu Hause bleiben müssen, um zu studieren“, meldet sich nun die gleichaltrige Paula, die aus Lecce im Süden Italiens stammt, zu Wort.
„Diese Prüfung“, fährt sie fort, „die normalerweise im Juli stattfindet (wir wissen nicht, was in diesem Jahr passieren wird), wird von etwa jedem zweiten Studenten bestanden, es gibt nur sehr wenige Plätze. Und wenn Sie keinen Facharztabschluss haben, finden Sie hier normalerweise nur befristete Jobs als Ersatz für jemanden in der privaten Struktur oder in Blutlabors, und das wollen wir nicht.“
Ich erkundige mich nach ihrer Beziehung zu den kubanischen Ärzten. „Ich weiß zu schätzen, was sie tun“, sagt Paula sofort, „weil wir es wirklich brauchen. Erfahrene Spezialisten wie sie geben uns viel Vertrauen.“
„Die Sprache war am Anfang die größte Schwierigkeit“, meint Humberto, „aber dann merkte ich, dass sie ohne zu sprechen (jetzt sprechen sie mehr), nur mit den Händen und mit der Körpersprache Menschlichkeit auf den Patienten übertragen. Sie glauben gar nicht, wie sehr diese dafür in den Botschaften danken, die sie hinterlassen, wenn sie gehen.“
Der 33jährige Federico mit zweieinhalb Jahren Erfahrung, der in seiner Freizeit Baseball spielt, betont: „Hier zu arbeiten ist sehr stressig …, aber mit Menschen mit solcher Erfahrung und Demut zu arbeiten, gibt Mut.“
„Sie arbeiten mit Freude, und das ist wichtig“, fügt die aus dem Süden kommende Paula hinzu und lacht: „Ich möchte die Arbeit der Epidemiologen hervorheben, weil sie eine enorme Geduld haben, besonders mit mir.“
„Jeder respektiert ihre Arbeit“, erklärt Humberto. „Vom Dermatologen bis zum Epidemiologen weiß jeder, was zu tun ist, und die anderen respektieren ihn dafür. Der Baum draußen mit seinen weißen Bändern (jeweils für einen entlassenen Patienten) ist ein Beweis dafür, dass es funktioniert, oder?“
Paula fasst es so zusammen: „Ich habe bei diesem Einsatz mehr gelernt als bei jedem anderen in meiner Laufbahn.“
IST DER SOMMER ANGEKOMMEN?
Die Frage wird insgeheim gestellt, damit der Gott der Jahreszeiten sie nicht hört und es sich nicht etwa anders überlegt. In Crema wurden wir während der Abschiedszeremonie der medizinischen Brigade der Lombardei (unsere ist die von Piemonte), die zwischen 11 und 13 Uhr auf der Piazza del Duomo stattfand, praktisch wie auf niedriger Flamme gekocht. Die senkrechte Sonne versetzte uns nach Kuba. Das Klima in Turin, 400 Meter über dem Meeresspiegel, ist jedoch weniger warm.
Trotzdem heißt es, der Monat August sei erstickend und die von den Alpen umgebene Stadt sei sengend heiß. Für die Gesundheit der Italiener hoffen wir, dann bei unseren Familien zu Hause zu sein. Wahr ist, dass jetzt die Jacken nicht mehr notwendig sind. Bei Sonnenaufgang und abends ist es kühl, aber am Tag erwärmt es sich und am Nachmittag sind lange Ärmel überflüssig.
Die Leute holen ihre Sommerkleidung mit der gleichen Ungeduld heraus wie wir die Winterkleidung. Ein einziger Sonnenstrahl reicht aus, schon legen sie sich auf die Balkone und cremen sich mit Schutzcremes ein. Auch weiße Laken und farbige Kleidung hängen auf den Balkonen. Ich nehme an, es gibt automatische Trockner, aber obwohl Turin nicht Neapel ist, kommt doch nichts über den tausendjährigen Effekt der Sonne auf Kleidung und Geist. An diesem Sonntag übertrug das italienische Fernsehen jedoch besorgniserregende Bilder: Hunderte von Menschen ohne Schutzmasken drängten sich in den Parks zusammen. Es geschieht instinktiv, als Akt der Befreiung, der die Ankunft des Sommers mit der Abschaffung der häuslichen Haft verbindet.
Das COVID-OGR-Krankenhaus war ein voller Erfolg, sein multidisziplinärer Stil ist in Italien nicht üblich. Jeden Nachmittag, gegen 14 Uhr, gibt es echte wissenschaftliche Sitzungen.
Die wichtigsten Spezialisten aus Italien und Kuba treffen sich, um die komplexesten Fälle zu analysieren. Die Kubaner haben sich in diesen Debatten Respekt verdient, und ihre Meinungen geben den Ton an. Dr. Julio Guerra, der am 26. Mai 43 Jahre alt geworden ist, spricht bewegt über die besprochenen Fälle. Manchmal vergisst er, dass ich kein Arzt bin. Die Wahrheit ist, dass heute angesichts der offensichtlichen Verbesserung des Gesundheitszustandes einer 94-jährigen Frau, basierend auf Julios klinischen Kriterien, der klinische Direktor Dr. Alessandro Martini, der die Sitzungen leitet, mit Emotion zum Ausdruck brachte: „Sie diagnostizieren mit wenigen Mitteln, Sie sind sehr genau, sehr präzise. Die kubanische Medizin ist sauberer als unsere, und die Medizin, die Sie lehren, ist besser als die Medizin, die wir an unseren Universitäten lehren. Sie lösen Probleme mit wenigen Ressourcen, Sie denken mehr, Sie verwenden klinische Elemente zur Diagnose und Sie tun dies genau, ohne dass zusätzliche Analysen erforderlich sind. In meinem Ursprungskrankenhaus hätten wir ein Arsenal an Ressourcen verbraucht und das Ergebnis wäre nicht besser gewesen.“
Der Sommer macht die Menschen aufgeschlossener, aber Italien hatte bereits an einem Frühlingsmorgen begonnen, Kuba besonders ins Herz zu schließen, als nämlich eine Gruppe von Ärzten und Krankenpflegern der Insel (unter ihnen Julio) zum ersten Mal die rote Zone betrat.
http://de.granma.cu/mundo/2020-06-01/sommerliche-und-menschliche-warme