Putschisten versuchen es erneut
Bolivien: Wieder Polizeieinsatz gegen Exregierungsmitglieder im mexikanischen Botschaftsasyl
Von Axel Plasa
Während die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) verstärkt in Erklärungsnot bezüglich ihrer Einschätzung der Präsidentschaftswahl im Oktober 2019 in Bolivien als »irregulär« kommt, verschärfen die Machthaber in La Paz erneut den Druck auf die mexikanische Botschaft in der Hauptstadt. Nachdem auch die New York Times vergangene Woche die mutmaßliche Parteinahme der OAS für die Putschisten an die Öffentlichkeit gebracht hatte, fühlte sich die Organisation am Dienstag genötigt, in einer Pressemitteilung »eine böswillige Desinformationskampagne gegen die OAS« anzuprangern.
Unterdessen versucht die De-facto-Regierung unter der selbsternannten »Übergangspräsidentin« Jeanine Áñez erneut, gegen frühere Regierungsbeamte von Expräsident Evo Morales, denen Mexiko Botschaftsasyl gewährt, vorzugehen. Am Sonntag war die diplomatische Vertretung von 220 Polizeikräften umstellt worden – nur durch den persönlichen Einsatz des Geschäftsträgers der mexikanischen Botschaft, Edmundo Font López, konnten diese davon abgehalten werden, in die Residenz einzudringen. Laut Augenzeugen hatten sie bereits versucht, die rückwärtige Mauer zu überwinden, wie Prensa Latina berichtete. In den rund 40 Minuten bis zum Abzug der Polizisten habe López sich auch an die De-facto-Regierung in La Paz gewandt und den sofortigen Abzug der Einsatzkräfte gefordert.
Zuvor hatte es demnach bereits Gerüchte einer unmittelbar bevorstehenden Intervention gegeben, bei der die »Eliteeinheit« der Spezialkräfte zur Verbrechensbekämpfung eine Razzia durchführen sollte, um sieben bolivianische Exregierungsmitglieder festzunehmen. Im Nachgang des Putsches vom November 2019 gegen den gewählten Präsidenten Morales hatte die mexikanische Regierung neun Politikern aus dessen Kabinett Asyl gewährt, darunter Juan Ramón Quintana, ehemals Minister der Präsidentschaft, die früheren Minister Javier Zavaleta, Hugo Moldiz, Wilma Alanoca Mamani und Héctor Arce, der ehemalige Gouverneur von Oruro, Victor Hugo Vásquez, und der frühere Direktor der Technologie- und Informationsagentur (AGETIC), Nicolás Laguna. Gegen die sieben sich derzeit noch in der Botschaft befindlichen Politiker wurden Haftbefehle erlassen.
Damit begründet auch die Polizei ihren Einsatz: Es sei nach gesuchten Straftätern gefahndet worden, um zu verhindern, dass diese die Botschaftsresidenz verließen. Wie jedoch Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard schon im Dezember vergangenen Jahres, als die mexikanische Botschaft bereits mehrere Tage lang von bolivianischen Einsatzkräften umstellt worden war, klargestellt hatte: Asylrecht genießt Vorrang vor Haftbefehlen, die ohnehin erst nach der Gewährung des Schutzes ausgestellt worden seien. La Paz reagierte damals mit Ausweisung der mexikanischen Botschafterin María Teresa Mercado, der spanischen Geschäftsträgerin Cristina Borreguero und des spanischen Konsuls Álvaro Fernández. Ende Januar wurden schließlich für zwei bolivianische Exminister, Pedro Damián und César Navarro, Geleitbriefe ausgestellt, mit denen sie sicher nach Mexiko ausreisen konnten. Für die anderen Schutzsuchenden wurde dies bisher unter Verweis auf laufende Prozesse gegen sie jedoch abgelehnt.
Das Außenministerium der Putschistenregierung bestätigte in einer Pressemitteilung vom Montag zwar den Polizeieinsatz, wies jedoch jede weitere Absicht von sich: »In diesem Zusammenhang gab es falsche Informationen darüber, dass die bolivianischen Polizeikräfte eine Intervention der Residenz vorbereiteten, um diese Personen festzunehmen.« Die De-facto-Regierung bekräftigte dabei »die Einhaltung von internationalen Konventionen, die die Unverletzlichkeit der in unserem Land akkreditierten diplomatischen Büros und Residenzen garantieren«.
Gegen eine sechsmonatige Mahnwache vor der Botschaft durch die rechte Gruppierung »Resistencia Unión La Paz« hatte Añez aber offenbar nichts einzuwenden. Trotz wiederholter Kritik der mexikanischen Regierung und Beschränkungen durch die Pandemie wurde die Belagerung bis zum 9. Juni durch die bolivianischen Behörden toleriert. Wie das Onlineportal Urgente.bo am selben Tag berichtete, wurde die Aktion jedoch nicht auf Regierungsanweisung beendet, sondern weil die »Aktivisten« es leid seien, für politische Zwecke missbraucht zu werden.
https://www.jungewelt.de/artikel/380445.bolivien-putschisten-versuchen-es-erneut.html