Schritt für Schritt
Die USA und ihre südamerikanischen Satelliten bereiten eine Intervention in Venezuela vor. Doch sie würde anders aussehen als früher
Von Modaira Rubio, Caracas
Tausende Soldaten der venezolanischen Streitkräfte und Angehörige der Bolivarischen Miliz haben sich am vergangenen Wochenende in dem südamerikanischen Land an einem Großmanöver beteiligt. Das war keine »Demonstration der Stärke«, wie sie nach den Invasionsdrohungen von US-Präsident Donald Trump und seinem Vize Michael Pence durchaus gerechtfertigt gewesen wäre. Vielmehr ging es darum, die »unión cívico-militar«, die Einheit von Militär und Zivilbevölkerung, zu festigen. Diese Allianz aller Teile der venezolanischen Gesellschaft ist ein Kernbestandteil der Verteidigungsdoktrin der Bolivarischen Nationalen Streitkräfte (FANB).
Es ist kein Geheimnis, dass die Armee eines Landes der sogenannten Dritten Welt im Falle einer Konfrontation mit der Übermacht des US-Militärs wenig ausrichten könnte. In Venezuela würde es dem Pentagon jedoch schwerfallen, erfolgreich eine klassische Invasion durchzuführen, betonte Präsident Nicolás Maduro im Vorfeld des Manövers. »Die Drohung von US-Präsident Donald Trump ist von unserem Volk beantwortet worden. Laut Umfragen lehnen 86 Prozent der Bevölkerung seine Äußerungen ab«, sagte Maduro im Oberkommando der FANB.
»Ich glaube nicht, dass die Flugzeugträger und Truppentransporter der USA an unsere Küsten vor Anker gehen und die Soldaten den Strand stürmen, als wäre es die Normandie. Ich glaube, dass das Muster eine Kombination aus verschiedenen Provokationen auf militärischer Ebene sein wird, von denen die ersten bereits vom US-Botschafter in Bogotá angekündigt worden sind«, so Maduro. Der Diplomat Kevin Whitaker hatte im Gespräch mit der kolumbianischen Tageszeitung El Espectador vor »militärischen Abenteuern« Venezuelas gegen seine Nachbarländer gewarnt. Die USA würden in einem solchen Falle »nicht mit verschränkten Armen zusehen«.
Am vergangenen Montag prangerte Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos eine angebliche Grenzverletzung durch Beamte der venezolanischen Nationalgarde an. Diese hätten die Bewohner grenznaher Orte bestohlen und in die Luft geschossen. Venezuelas Außenministerium wies diese Beschuldigungen am Dienstag zurück: »Es ist zur üblichen Praxis geworden, dass die Republik Kolumbien Falschmeldungen über nicht existente Vorfälle an der Grenze verbreitet. Schlimmer noch ist, dass diese die Regierung Kolumbiens dazu verleiten, unverhältnismäßige diplomatische Maßnahmen zu ergreifen, die die Beziehungen zwischen beiden Ländern beschädigen.«
Nach Ansicht Maduros gehörte bereits der terroristische Angriff auf die Paramacy-Kaserne im Bundesstaat Carabobo am 6. August, der von den internationalen Medien als »Rebellion von Teilen des Militärs« behandelt wurde, zu dieser »schrittweisen Invasion«. Man habe im Oberkommando beraten, dass eines der möglichen Szenarien sei, von Miami aus einige Offiziere zu bestechen und auf diese Weise eine Spaltung der Streitkräfte zu provozieren. Dann könne man versuchen, gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Teilen des Militärs anzuzetteln und damit dann eine Intervention begründen, in deren Folge eine Koalition verschiedener Länder Venezuela besetzen würde. »Ihr erster Fehler ist, dass sie uns wie eine Diktatur behandeln. Der politische Prozess in Venezuela kann sich halten, weil hier Freiheit herrscht, weil Bewusstsein herrscht, weil es eine Bewegung gibt, weil es das Volk gibt. Wenn sie glauben machen wollen, dass hier eine Diktatur herrscht, die das Volk unterdrückt, dann ist das von Anfang an zum Scheitern verurteilt, denn hier herrscht Demokratie«, so Maduro.
Auch der frühere Pentagon-Funktionär Frank O. Mora hält eine »militärische Option« der USA gegen Venezuela für nicht realistisch. In einem Beitrag für das Onlinemagazin Global Americans schrieb er am 24. August, dass es in Wirklichkeit nur zwei Gründe gebe, die den Einsatz des Militärs begründen könnten: den Sturz der Regierung oder den Versuch, Maduro zu einer Änderung seiner Politik zu zwingen. »Wenn das Ziel ein Regimechange ist, und wir annehmen, dass die US-Kräfte nicht auf großen Widerstand stoßen, müsste das Pentagon mit mindestens 150.000 Mann rechnen, die schnell jeden konventionellen Widerstand während der Intervention und der folgenden Besatzung brechen könnten.« Das ginge nicht, ohne große Teile der nordamerikanischen Truppen von anderen wichtigen Schauplätzen wie Syrien, Afghanistan oder der Koreanischen Halbinsel abzuziehen. Eine Intervention in Venezuela sei »aus militärischer Sicht das letzte, was die ohnehin schon überlasteten US-Streitkräfte wollen können«.
Deshalb beschränkt sich die Strategie Washingtons nicht auf das Säbelrasseln. So hat das US-Finanzministerium neue Sanktionen gegen Venezuela verhängt, die sich unter anderem gegen den staatlichen Erdölkonzern PDVSA richten und letztlich eine Finanzblockade gegen Caracas darstellen. Das räumte Botschafter Whitaker in El Espectador selbst ein: »Da das Bankensystem über die Vereinigten Staaten läuft, ist das ein sehr mächtiges Element. Es gibt Fälle internationalen Handels zwischen verschiedenen Ländern, und diese kann man auch in Betracht ziehen.«
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