Corona-Update (22): Lage unter Kontrolle
Mehr als drei Wochen nach der Öffnung des Tourismus sinken die Inzidenzen auf Kuba weiter. Anders als im letzten Jahr um diese Zeit ist die Corona-Lage damit trotz der Zunahme des Fremdenverkehrs zum Jahresende gut unter Kontrolle: erstmals bewegt sich die 7-Tages-Inzidenz wieder im einstelligen Bereich, die Intensivstationen sind leer. Der Grund dafür liegt vor allem in der Impfkampagne, die inzwischen neun Zehntel der Bevölkerung erreicht hat. Sorgen bereitet den Gesundheitsbehörden die neue Omikron-Variante, welche bislang in 57 Ländern weltweit nachgewiesen wurde. Kuba ist noch nicht darunter, doch beobachtet man auf der Insel die Entwicklung genau. Einer der beiden Hersteller hat bereits mit der Anpassung seiner Vakzine begonnen. „Auch angesichts der neuen Variante werden wir unsere Grenzen nicht schließen“, stellte Präsident Miguel Díaz-Canel indes klar. Dabei sollen alle machbaren Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, am Samstag sind neue Einreiseregeln für Risikogebiete in Kraft getreten. Ob diese eine Einschleppung langfristig verhindern können, erscheint fraglich. Noch immer fehlen belastbare Daten zu Infektiosität und Gefährlichkeit der Variante. Trotz der guten Zahlen macht Omikron bereits jetzt eines deutlich: Auch für Kuba wird die Pandemie erst dann vorüber sein, wenn die Lage weltweit unter Kontrolle ist. Der Schlüssel dafür ist die Impfung.
- Bis zum 7. Dezember wurden auf Kuba insgesamt 963.347 Personen positiv auf SARS-CoV-2 getestet: +78 zum Vortag, darunter 20 in Holguín, 8 in Havanna und 8 in Las Tunas. 8311 Personen sind an den Folgen des Virus gestorben, zum Vortag wurden keine neuen Todesfälle gemeldet. 2.904 Personen befinden sich zur Gesundheitsüberwachung in medizinischen Einrichtungen, 954.572 gelten als genesen. Die Anzahl der aktiven Fälle liegt derzeit bei 407, davon werden 16 intensivmedizinisch behandelt. Die Fallsterblichkeit beträgt weiterhin 0,86 Prozent.
Der von Kubas Modellierern prognostizierte Rückgang der Infektionsrate hat sich in den letzten Wochen weiter fortgesetzt. Inzwischen werden die höchsten Fallzahlen nicht mehr aus Havanna und Pinar del Río sondern der östlichen Provinz Holguín gemeldet. Kubas Gesundheitsbehörden mahnten auf der letzten Sitzung des Krisenstabs zu „einer verantwortungsvollen Koexistenz“ mit dem Virus auf, der Kampf gegen die Pandemie sei trotz der ermutigenden Zahlen noch lange nicht vorbei. - Noch wurde auf Kuba kein Fall der neuen Omikron-Variante nachgewiesen. Ein erster Verdachtsfall eines Passagiers aus Südafrika erwies sich als Fehlalarm, wie das Instituto Pedro Kourí (IPK, Kubas Äquivalent zum Robert-Koch-Institut) am 3. Dezember bekannt gab.
- Die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner hat sich seit dem letzten Corona-Update von 245,9 (15. Oktober) auf 9,8 (7. Dezember) massiv reduziert und erreicht damit erstmals seit letztem Jahr wieder den einstelligen Bereich. Die Anzahl der durchgeführten PCR-Tests wurde im selben Zeitraum von 31.000 auf 17.500 pro Tag gesenkt.
- Impfkampagne: Bis zum 6. Dezember haben 90 Prozent der KubanerInnen mindestens die Erstimpfung erhalten (>95% der impfberechtigten Bevölkerung ab zwei Jahren). Vollständig geimpft sind 83,2 Prozent. Damit hat Kuba inzwischen die meisten Industrieländer hinter sich gelassen und liegt nach Chile an zweiter Stelle auf dem amerikanischen Kontinent. Bei den verabreichten Dosen pro Einwohner liegt das sozialistische Land aufgrund des dreidosigen Schemas sogar an der Weltspitze. Das Ziel, bis Ende November 90 Prozent der Bevölkerung vollständig zu immunisieren, wurde jedoch verfehlt. Mittlerweile wurde auf der Insel mit Auffrischungsimpfungen begonnen, zunächst für Mitarbeiter des Gesundheitswesens und der Tourismus-Branche. Seit Montag wird in Havanna jetzt auch in der Fläche geboostert: In den Gemeinden Regla, Guanabacoa, Habana del Este und San Miguel del Padrón haben inzwischen rund 33.000 Personen die 4. Spritze erhalten. Dort hatte die Impfkampagne im Mai begonnen, die Erstimpfung liegt entsprechend am längsten zurück. Insgesamt wurden bislang 424.113 Auffrischungsimpfungen verabreicht. Wie die Hersteller bekannt gaben, sind die beiden eingesetzten Impfstofffamilien untereinander austauschbar, mit „Soberana“ geimpfte Personen können also mit „Abdala“ geboostert werden und umgekehrt. Derzeit laufen Langzeitstudien über die Dauer des Immunschutzes, mit denen der bestmögliche Abstand für künftige Boosterimpfungen ermittelt werden soll. Eine weitere Studie prüft die Wirksamkeit des nasal verabreichten Impfstoffs „Mambisa“ als Booster.
Neuigkeiten zu den Impfstoffen:
- Anerkennung für Kubas Vakzine: Das renommierte Fachjournal „Nature“ hat sich zuletzt Kubas selbst entwickelten Impfstoffen gewidmet. Der Artikel von Sara Reardon wurde inzwischen auch in deutscher Fassung in „Spektrum der Wissenschaft“ veröffentlicht. Dort wird auf die jüngste Preprint-Studie zu den Soberana-Impfstoffen Bezug genommen, welche am 6. November erschienen ist und in der eine Wirksamkeit von 92,4 Prozent gegen symptomatische Infektionen durch Delta nachgewiesen wurde. John Grabenstein, Präsident des Beratungsunternehmens Vaccine Dynamics in Easton, bezeichnete Kubas Impfstoffe in dem Artikel als „nützliche Ergänzung für die ganze Welt“. Die bisher vorliegenden Daten würden solide erscheinen: „Jeder verwendet ein anderes Gerät aus dem Werkzeugkasten – funktionieren tun sie aber so ziemlich alle“, so Grabenstein. Auch das Ärzteblatt berichtete über die kubanischen Impfstoffe. In einer feierlichen Zeremonie bedankte sich Präsident Díaz-Canel am Dienstag bei den Entwicklern: „Ihr habt, gemeinsam mit den Mitarbeitern des Gesundheitswesens, das Land gerettet. Kuba wird euch das nie vergessen“, so das Staatsoberhaupt.
- Anpassung gegen Omikron: Inzwischen haben Kubas Wissenschaftler mit der Anpassung ihrer Impfstoffe an die neue Mutante begonnen. „Wir haben letzte Woche beschlossen, eine Variante von Soberana Plus mit der Rezeptorbindedomäne des Omikron-Proteins zu produzieren“, erklärte der Direktor des Finlay-Instituts für Impfstoffentwicklung (IFV), Vicente Vérez Bencomo. Die ersten Proteine seien bereits synthetisiert worden. Es werde alles getan, um „jeder möglichen Situation voraus zu sein“, versicherte Vérez Bencomo. Wie Eduardo Martínez Díaz, Leiter des staatlichen Pharmadachkonzerns BioCubaFarma, ankündigte, werde parallel am Entwurf neuer Vakzine speziell gegen Omikron gearbeitet.
- Mehr Impfoptionen für Kinder: Ende Oktober hatte Kubas Medizinaufsicht CECMED dem „Abdala“-Impfstoff eine Notfallzulassung für die Altersgruppe 12 bis 18 erteilt. Damit können beide kubanischen Vakzine jetzt bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden. Soberana wurde als erstes Vakzin vor einigen Monaten für die Altersgruppe ab zwei Jahren zugelassen. Jetzt erhielt „Soberana Plus“ auch die Notfallzulassung für Genesene ab zwei Jahren.
- Export nimmt Fahrt auf: Bis zum Ende des Jahres wird Venezuela 16 Millionen Dosen des Abdala-Impfstoffs erhalten haben. Ab Januar 2022 will das südamerikanische Land in der Lage sein, das Vakzin selbst zu produzieren. Der Export in andere Länder fängt derweil gerade erst an. Zu den wichtigsten Erstabnehmern gehören neben Iran (wo ein Teil der Studien für Soberana 02 durchgeführt wurde) Vietnam, Nicaragua, Mexiko und Argentinien. Einige dieser Länder planen ebenfalls den Aufbau eigener Produktionslinien. Ein Hemmnis für die weltweite Vermarktung dürfte die weiterhin fehlende WHO-Zulassung sein, nach letzten Informationen vom 11. November steht der Prozess noch ganz am Anfang.
- Vergiftetes Angebot? Kurz vor den für 15. November geplanten Protesten boten die Vereinigten Staaten Kuba eine Lieferung von einer Millionen Impfdosen an. Außenminister Bruno Rodríguez zeigte sich angesichts des Timings überrascht. Im Sommer, als dringend Impfstoff und andere medizinische Ausrüstung benötigt wurden, wäre Washington deutlich weniger generös gewesen und hätte noch nicht einmal basale humanitäre Lockerungen der Wirtschaftsblockade in Erwägung ziehen wollen. Mittlerweile sei jedoch mehr als genug Impfstoff vorhanden. Kuba lehnte die Offerte entsprechend höflich ab und schlug stattdessen vor, die US-Lieferung mit Hilfe kubanischer Vakzine auf zwei Millionen Dosen zu verdoppeln, welche als Zeichen der Kooperation durch eine gemeinsame Medizinerbrigade beider Länder im Globalen Südens verimpft werden sollte. Die Biden-Administration ging nicht darauf ein.
Weitere Entwicklungen
- Rückkehr des Tourismus: Inzwischen haben die Flugbewegungen in Havannas Airport wieder die Hälfte des Standes vom letzten Jahr um diese Zeit bzw. 27 Prozent von vor der Pandemie erreicht. Seit der Öffnung vor drei Wochen wird die Insel zunehmend von internationalen Airlines angesteuert. Aus Kanada und den Vereinigten Staaten ist Kuba wieder gut erreichbar, Flüge aus Europa sind jedoch weiterhin teuer. Ein Überblick über die Verbindungen im Dezember findet sich → hier.
- Zollerleichterungen bleiben: Wie der kubanische Zoll bekannt gab, bleiben die bestehenden Ausnahmen bei der Einfuhr von Medikamenten, Lebensmitteln und Hygieneprodukten auch 2022 weiterhin in Kraft. Ursprünglich waren die am 19. Juli eingeführten Maßnahmen bis zum 31. Dezember limitiert.