Tick, tack
Spät in der Nacht erzählt man mir, dass in Pinar del Río „etwas passiert“ ist. Ich habe in den offiziellen Medien nachgeschaut, aber da stand nichts. Der Link, den sie mir geschickt haben, stammt von einem konterrevolutionären „Influencer“, der zu dieser Uhrzeit sehr aktiv war und auf eine Direkte Kommunikationt antwortete. „Wir haben einen schlechten Start erwischt“, sage ich zu mir selbst und schaue mir das Video an: zahlreiche Menschen schreien und schlagen auf Töpfe und Pfannen ein. Wegen der Dunkelheit ist nicht klar, wie viele es sind, aber ich kann die bösen Worte und den gelegentlichen „Slogan“ gegen die Regierung hören. In der Gemeinde Los Palacios in Pinar del Río ist der Strom ausgefallen und mehrere Einwohner sind auf der Straße.
Es ist noch nicht lange her, da warnte der Journalist Lázaro Manuel Alonso in einem Facebook-Post vor der kritischen Energiesituation: Die Unión Eléctrica bestätigte ein Defizit von 779 Megawatt. Besonders kompliziert waren die Verhältnisse in Pinar del Río, wie der Direktor der dortigen Elektrizitätsgesellschaft sagte. Hinzu kamen nach Angaben der örtlichen Behörden zu den Auswirkungen eines lokalen Sturms. Logischerweise und leider gab es zu häufige und zu lange Stromausfälle.
Sofort versammelten sich die üblichen Leute, um diesem Moment die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Sie teilten die Live-Übertragungen, Videos, die im Grunde die gleichen waren, aber von verschiedenen Handys und aus verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen wurden. Sie kommentierten das Geschehen live und fragten frenetisch und mit großem Eifer, ob dasselbe auch anderswo im Lande geschehe. Wie am 27. November 2020 oder am 11. Juli 2021 war die Konterrevolution der Meinung, dass dies der endgültige Funke war, und ließ dem krankhaften Optimismus freien Lauf, ihre Wünsche in Erfüllung gehen zu sehen, ohne direkt handeln zu müssen, sondern dass wir, die in Kuba leben und unter all seinen Problemen leiden, dies stellvertretend besorgen würden.
„Tick, tack, tick tack“, wiederholten viele, als wären sie das Krokodil, das Kapitän Hook bedrängt. „Tick, tack, tick, tack. Die Uhr des „Wandels“ verkündete, dass die Zeit gekommen war, wie schon so oft zuvor. „Tick, tack, tick tack“, schrieben sie in Posts und Tweets, als ob etwas Entscheidendes bevorstünde, als ob die Tage des Sozialismus gezählt wären. „Tick, tack.
Und nein, sie sind wieder gescheitert: Das Wasser kehrte auf seinen Stand zurück. Auf den überall verbreitreten Videos sah man die Leute der Führung, diese „bösen Bürokraten“, diese „unsensiblen Satrapen“, umringt von der Menge, Seite an Seite mit sehr verärgerten Menschen, die sogar Obszönitäten und Beleidigungen riefen. Stoisch erklärten sie die Gründe für die Situation, versuchten zu überzeugen und zu diskutieren.
Trotz unserer nach Blut dürstenden Feinde, die der Guerilla Ratschläge erteilten, als ob in Pinar del Río ein bewaffneter Aufstand stattfinden würde, gab es keine Schießerei, kein Massaker und keine Repression. Die Menschen kehrten in ihre Häuser zurück, ohne vor Tränengas oder Polizeitruppen fliehen zu müssen.
Heißt das, dass wir ruhig schlafen können? Nein, natürlich nicht. Wir machen Fehler und sind nicht sehr geschickt, wenn es darum geht, diese Krise, die vor allem durch die Verschärfung der US-Sanktionen, die Pandemie und die internationale Geopolitik ausgelöst wurde, anzugehen und zu lösen, die aber unseren ganzen Erfindungsreichtum, unser ganzes Talent erfordert, damit wir vorankommen.
Es kann nicht sein, dass die Darstellung der Ereignisse in Pinar del Río ausschließlich unseren Feinden vorbehalten ist und dass wir bei ihnen nachgucken müssen, um herauszufinden, was vor sich geht. Wir können nicht weiterhin rein technische Informationen liefern, sondern müssen die Informationen, die für die Bürger wichtig sind, auf transparente Weise bereitstellen. Manchmal ist es nicht der Stromausfall, der am meisten stört, sondern die Ungewissheit über seine Ursachen, die unerträgliche Plötzlichkeit seines unerwarteten Auftretens.
„Tick, tack, tick, tack“, wiederholen unsere Feinde mit Begeisterung. Aber tief im Inneren wissen sie, dass. wir die alleinigen Herrscher über die revolutionäre Zeit sind. Lasst uns versuchen, dem gerecht zu werden.