Weg zur Volksmacht
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Venezuela: Nationalversammlung nimmt Gesetzentwürfe zur Stärkung der Kommunen an
Von Julieta Daza, Caracas
In Venezuela wird die Debatte um die weitere Entwicklung der sogenannten Volksmacht fortgesetzt. Am 13. April stimmte die Nationalversammlung des südamerikanischen Landes einem Gesetzentwurf zur Bildung des »Nationalen Parlaments der Kommunen« zu. Das Gesetz wurde von einer großen Mehrheit der Abgeordneten bereits nach erster Lesung angenommen.
Anfang März war auch dem Gesetzentwurf zur Gründung von »kommunalen Städten« zugestimmt worden. Diese sollen sich aus mehreren Kommunen zusammensetzen, die sich in einem bestimmten Gebiet befinden und somit geografische und historische Eigenschaften sowie Anschauungen und ökonomische Interessen der Bevölkerung teilen. Somit sollen die kommunalen Städte als territoriale und rechtmäßige Grundlage der Volksmacht dienen.
Angestoßen wurde diese Entwicklung vom 2013 verstorbenen früheren Präsidenten Venezuelas und Anführer der »Bolivarischen Revolution«, Hugo Chávez. In seinen letzten Amtsjahren hatte er in verstärktem Maß die Notwendigkeit des »Kommunalstaates« betont. Die in Gemeinderäten, Kommunen und anderen Basisorganisationen organisierte Bevölkerung soll darin die politische und ökonomische Macht ausüben. Ziel ist die Zerstörung des bürgerlichen Staates und der Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft.
Bereits während der Bolivarischen Revolution wurden diesbezüglich viele Gesetze verabschiedet. Aber der Kommunalstaat scheint noch fern, obwohl es sowohl in Städten wie Caracas als auch in ländlichen Regionen Kommunen gibt, die durchaus auf die Souveränität und Selbstregierung der Gemeinden hinarbeiten.
Die nun verabschiedeten Gesetze stehen miteinander in Verbindung. Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro hatte bereits im vergangenen Jahr während des Wahlkampfes betont, dass die Bildung des Kommunalparlaments eine Priorität der neuen Nationalversammlung sein müsse. Die Regierung werde einen Gesetzentwurf vorschlagen, damit die Nationalversammlung verpflichtet ist, »die Kommunen zu allen Projekten und Themen, die debattiert werden, zu befragen, bevor Entscheidungen getroffen werden«, erklärte Maduro im Oktober 2020.
Am 10. Februar übergab der Staatschef schließlich sowohl den Gesetzentwurf zum Kommunalparlament als auch den der kommunalen Städte an den Präsidenten der Nationalversammlung, Jorge Rodríguez, sowie an den Ausschuss für Volksmacht. Nun, da die Nationalversammlung beide Entwürfe angenommen hat, sollen Gemeinderäte, Kommunen und weitere Basisorganisationen die Gesetzesvorschläge diskutieren und mögliche Änderungen vorlegen.
Einiges ist in der Sache aber noch ungeklärt. Der KP-Abgeordnete Oscar Figuera erklärte in der Debatte, dass auch seine Partei zustimme, obwohl der dazu verpflichtete Ausschuss den Gesetzentwurf ihnen gegenüber nicht vollständig offengelegt habe. Man werde allerdings alles unterstützen, was dazu beitragen könnte, der organisierten Bevölkerung, den Arbeitern, Bauern und den Aktivisten in den Kommunen und Gemeinden die Kontrolle über die sozialen und ökonomischen Prozesse und Staatsinstitutionen zu verleihen. Das Kommunalparlament müsse dazu beitragen, die Spekulation mit den Preisen der Lebensmittel zu bekämpfen und eine tiefe Debatte über die aktuelle Gesellschaft durchzuführen, die in Venezuela noch durch kapitalistische und bürgerliche Verhältnisse geprägt sei, so Figuera weiter.
Die Frage, ob im Rahmen der bürgerlichen Staatsinstitutionen weitere Gesetze überhaupt den Weg zu einem sozialistischen Kommunalstaat ebnen können, bleibt in der Debatte weiterhin offen. Auch über das gegenwärtige Verhältnis zwischen den Organisationen der Volksmacht und des Staates wird viel diskutiert – zum Beispiel in bezug auf die Verteilung der finanziellen Mittel zwischen dem Staat und der ökonomischen Selbstverwaltung der Basisorganisationen.