Sozialismus nur ohne Markt?
Auf der 5. Tagung des Parteivorstands der DKP hielt Renate Koppe, Internationale Sekretärin der DKP, ein Referatüber den „kubanischen Weg zum Sozialismus“, das sich unter anderem mit den beschlossenen Änderungen in der Wirtschaft des Karibiklandes beschäftigte. Wir dokumentieren an dieser Stelle einen Auszug.
Interessant ist es nun, die Reformen auf Kuba in einen Gesamtzusammenhang zu bringen. Welche Rolle spielen Marktmechanismen und sogar kapitalistische Wirtschaftssektoren bei der Entwicklung eines sozialistischen Systems? Das lässt sich sicher nicht allgemein beantworten. Wie die Neue Ökonomische Politik in der frühen Sowjetunion war der Beginn der Wiederzulassung von Privatunternehmen auf Kuba das Ergebnis einer extrem schwierigen wirtschaftlichen Lage, in Kuba aufgrund des Zusammenbruchs des sozialistischen Systems, in das es im Rahmen der internationalen Arbeitsteilung eingebunden war. Auch in China war es offenbar nicht möglich, eine erhebliche Produktivitätssteigerung, das heißt Produktivkraftentwicklung, ohne Markt – das heißt kapitalistische Methoden, wenn auch unter Kontrolle eines Staates, in dem die Arbeiterklasse die herrschenden Klasse ist – zu erreichen.
Die Erfolge dieser Strategie sind im ökonomischen Bereich deutlich sichtbar. Ebenso die Gefahren. Denn klar ist auch, dass Kapitalismus – auch unter Kontrolle der Arbeiterklasse – Kapitalismus hervorbringt. Dies gilt im Übrigen meines Erachtens auch nicht nur für Großunternehmen, sondern auch für Genossenschaften, die im Sozialismus immer auch ein Bereich sind, in dem kapitalistische Eigentumsverhältnisse bewahrt werden. Offen ist aber die Frage, wie diese kapitalistischen Sektoren bei der weiteren Entwicklung des Sozialismus wieder zurückgedrängt werden können. Denn dass dies notwendig ist, um die Ware-Geld-Beziehungen überhaupt zu überwinden, liegt meines Erachtens auf der Hand. In China sieht man jetzt eine wieder verstärkte staatliche Einflussnahme auf die privaten kapitalistischen Unternehmen, aber genauso eine Ausweitung von Marktmechanismen bei der Leitung staatlicher Unternehmen. Die Frage, inwieweit ein Abgehen von solchen Mechanismen unter der Voraussetzung der Dominanz des Imperialismus und eines kapitalistischen Weltmarkts überhaupt möglich ist, ist dabei auch sicher nicht schnell zu lösen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es bis Anfang der 60er Jahre in der Sowjetunion (unter Bedingungen, als so gut wie alle Produktionsmittel mit Ausnahme von landwirtschaftlichen Genossenschaften, in denen aber auch der Boden staatlich blieb, in staatlicher Hand waren) eine bereits sehr konkrete Diskussion gab, die zunehmende Ineffektivität der zentral gelenkten Wirtschaft durch Methoden der Datenverarbeitung (bei der die Sowjetunion damals noch führend war) zu beseitigen, einen großen Teil der Werktätigen in die Leitung einzubeziehen und so auch in der Perspektive die Warenproduktion aufzuheben. Es handelte sich um das gesamtstaatliche automatisierte System zur Datenerhebung und -verarbeitung, an dem führend der sowjetische Kybernetiker Wiktor Gluschkow mitarbeitete. (Auf die damaligen wissenschaftlichen Ausarbeitungen wurde kurzzeitig erfolgreich bei der Planung für staatliche Betriebe in Chile unter der Allende-Regierung zurückgegriffen).
Mit den Kossyginschen Reformen wurde dieses Projekt zugunsten von marktwirtschaftlichen Mechanismen – ohne Verstärkung der privaten Sektoren – aufgegeben. Zumindest unter diesen Bedingungen war dies nicht erfolgreich. Die Sowjetunion verlor in den darauffolgenden Jahrzehnten in vielen Bereichen ihre führende Position, was schließlich zur Niederlage des Sozialismus dort führte – wenn die Arbeiterklasse einmal die Macht ergriffen hat und eine sozialistische Entwicklung eingeleitet hat, ist das eben kein unumkehrbarer Prozess, wie bis in die achtziger Jahre oft gesagt wurde.
Genauso wenig bedeutet aber die – zeitweilige – Nutzung von Marktmechanismen und sogar privatwirtschaftlichen kapitalistischen Sektoren der Wirtschaft, dass die sozialistische Entwicklungsrichtung aufgegeben wurde. Das ist meines Erachtens weder in China noch in Vietnam oder Kuba der Fall, wo derzeit überall eine vergleichbare Entwicklung zu beobachten ist.
Entscheidend ist hier die Frage der politischen Macht der Arbeiterklasse, die einen sozialistischen Entwicklungsweg sicherstellen kann. Wie die damit verbundenen offenen Fragen gelöst werden, ist eine Frage der Weiterentwicklung und der wissenschaftlichen Diskussion in den Ländern und der kommunistischen Weltbewegung überhaupt.
Für uns als Kommunisten ist die Solidarität mit den Ländern, die einen sozialistischen Entwicklungsweg verfolgen, von großer Bedeutung, also auch mit Kuba. Sehr wichtig ist hier, gerade die Solidarität mit dem Sozialismus in diesen Ländern politisch deutlich zu machen, auch angesichts aller Versuche von links, sich von dieser Solidarität zu verabschieden. In Falle von Kuba ist dies auf der einen Seite bei der Linkspartei zu beobachten, die im Parteivorstand einstimmig eine Resolution zur „Solidarität mit Kuba“ verabschiedet hat, in der der Dialog mit konterrevolutionären Kräften gefordert wird. Trotz zusätzlicher Äußerungen wurde dieser Beschluss nicht zurückgenommen. Und die Solidarität mit Kuba beschränkt sich in der Linkspartei häufig auf Forderungen nach Aufhebung der Blockade – wo sie sich mit der EU in einer Reihe sehen können –, nicht jedoch auf die Solidarität mit dem sozialistischen Entwicklungsweg. Auf der anderen Seite sind in der linken Bewegung Kräfte vorhanden, die die sozialistische Entwicklung Kubas aufgrund der oben skizzierten Wirtschaftsreform grundsätzlich in Frage stellen (dieselben Kräfte tun dies auch im Falle von China oder Vietnam) und den kubanischen Präsidenten Díaz-Canel als Konterrevolutionär bezeichnen.
Deswegen muss es von unserer Seite heißen: Uneingeschränkte Solidarität mit dem sozialistischen Kuba! Neben der genannten politischen Solidarität kommt gerade im Fall von Kuba noch hinzu, dass dieses kleine Land vor den Toren des US-Imperialismus liegt und seit Jahrzehnten von Wirtschaftsblockaden und unmittelbaren Angriffen des US-Imperialismus betroffen ist. Deswegen ist hier auch unsere materielle Solidarität in Absprache mit den kubanischen Genossinnen und Genossen sehr wichtig. Ein weiterer Schritt dazu ist, dass wir vor wenigen Wochen 15.000 Euro an Spenden für die Beschaffung dringend benötigten medizinischen Materials übergeben konnten.
Das Referat kann in voller Länge auf blog.unsere-zeit.de nachgelesen werden.