Von der Notwendigkeit zu erziehen anstatt zu indoktrinieren
In dieser Welt, in der die Dekadenz vorhat, die gesamte Menschheit mitzureißen, trägt unsere revolutionäre Rebellion immer noch den Stern auf der Stirn der leuchtet und tötet
märz 2, 2020 14:03:19
Ende 2019 stach Martin Scorcese in Hollywood in ein Wespennest, als er sagte die Marvel Filme seien nicht wirklich Filme sondern eher Themenparks. Das erste Mal als er dieses Kriterium aufwarf, das von einigen Medien als radikal bezeichnet wurde, war in einem Interview mit der Zeitschrift Empire. Aber dann machte die New York Times daraus einen Leitartikel, der am 4. November veröffentlicht wurde.
Francis Ford Coppola war auf die Kommentare von Scorcese eingehend noch schroffer. „Ich weiß nicht, was man davon hat den gleichen Film immer und immer wieder zu sehen. Martin war noch freundlich, als er sagte, dass das kein Kino sei. Er sagte das nicht mit der Verachtung, wie ich dies sagen würde“.
Es lohnt sich den Artikel von Scorcese zu lesen, der auch wenn er klar ist, weit davon entfernt ist in irgendeiner Weise radikal zu sein. Er lässt eine Menge von Dingen bei seiner Analyse außen vor, möglicherweise wegen Platzmangel oder wegen der Art des Pressemediums, das er ausgewählt hat. Auf das Kino eingehend verficht Scorcese die These, dass es eine Kunstform ist, die (dem Zuschauer) das Unerwartete bringen muss, während in den Filmen der Superhelden „es keinerlei Offenbarung, kein Mysterium und auch keine emotionale Gefährdung gibt. Nichts ist in Gefahr“. Die Debatte ist alt, so alt wie die Massenkultur und älter als „Apokalyptiker und Integrierte“, das Essay zum Thema, das Umberto Eco zuerst 1964 veröffentlichte.
Wenn man die Meinungen von Scorcese und Eco gegenüberstellt und bedenkt, dass ersterer nur einen aus einigen Seiten bestehenden Artikel und der zweite ein Buch von 404 Seiten geschrieben hat, überrascht es, wie aktuell das Buch des renommierten Professors aus Piemont in bestimmter Hinsicht ist.
Es stimmt, dass die Semiotik seit dem Buch von Eco ziemlich weit fortgeschritten ist und viele der Annahmen des Buches heute nicht mehr als korrekt angesehen werden (insbesondere einige Ideen, was den Kitsch angeht). Einige haben sich weiter entwickelt, was die Tiefe in Theorie und Praxis angeht, so dass die ursprünglichen Ideen Ecos später nur noch als Referenzpunkte vorkommen.
Trotzdem ist es unvermeidlich, dass die Meinung von Sorceses an die Seiten erinnert, die Apokalyptiker und Integrierte Steve Canyon und insbesondere Superman gewidmet hat. Ja, die gleichen Supermänner, die wir heute für die zeitgenössischen Generationen in genau den Filmen. die Scorcese kritisiert, recycelt, wieder erfunden und wieder verarbeitet haben. Darüber und über ihre unendlichen Spuren meint der US-amerikanische Filmemacher, dass sie nicht nur dem Namen nach sondern auch, was die Geisteshaltung angeht, aufgefrischt und so sanktioniert würden, dass nur eine Wirklichkeit dargestellt wird, die anders nicht sein kann. Das ist die Natur der modernen Film-Franchise-Unternehmen: Marketing, am Publikum getestet, verworfen, verändert, wieder verworfen und wieder verändert, bis alles mundgerecht für den Konsum ist. Das unterscheidet sie grundsätzlich von der Art der Hitchcock Filme, die teilweise auch als Serie gemacht wurden.
In Wirklichkeit sind der Ausbruch von Coppola und die Analyse von Scorcese nicht neu. Ihr direkter Vorläufer war ein anderer Ausbruch, dieses Mal von dem US- Comedian Bill Maher. Anlässlich des Todes des Marvel Star-Schöpfers und Autor von so bekannten Figuren wie Spiderman, Hulk, Iron Man, Thor, X-Men, Antman schrieb Bill Maher, nachdem er den Tod des Comicautors Stan Lee bedauert hatte, in seinem Blog: Hören wir auf so zu tun, als wären Comic-Geschichten großartig. Bitte! Alle Filme mit Superhelden sind gleich.“ Seine Tirade war eine Reaktion auf jene, die ihn kritisierten, weil er gesagt hatte: „Die Comics sind keine Kunst, das Kino der Superhelden ist kein gutes Kino. Werdet erwachsen und akzeptiert es“,
Aber wenn es Bill Maher stört, dass es den bedingungslosen Anhängern des Kinos der Superhelden nicht gelingt, in ihren Erfahrungen künstlerischen oder literarischen Genusses zu wachsen, so geht im Fall von Scorcese die Kritik tiefer und richtet sich implizit gegen den Anteil der Serien der Filmindustrie Hollywoods. Bill Maher gibt dem Zuschauer die Schuld an dem, was er als Infantilismus im Umgang mit Kunst bezeichnet. Zwischen den Zeilen weist Scorcese auf andere Sachlagen hin.
Es geht nicht darum, dem Kino von vorneherein seine Superhelden zu verwehren. Das jüngste Phänomen des Jokers ermöglicht uns zu sehen, dass nicht die Personen das Problem sind.
Es gibt Kunst, oder es kann sie zumindest geben, mit ganz stereotypen Figuren, wenn, in dem Fall dass das Stereotyp gesprengt wird, das symbolische Bild, das er in sich trägt,überschritten wird und ein Individuum mit all den verschiedenen Persönlichkeitsebenen geschaffen wird, das ein reales Wesen hat. Wenn man dadurch beim Rezipienten des Werks eine gleichzeitige Aneignung des geschaffenen Individuums und des Stereotyps, das es in sich trägt, erreicht, dann ist es Kunst. Wenn dem Werk eine reale Diagnostik bestimmter Gegebenheiten gelingt oder es ihm gelingt die eigenen Codes, die in dem Stereotyp enthalten sind, zu untergraben, dann ist es Kunst: Das Stereotyp wird zu seiner eigenen Negation.
Eines der Probleme, nicht das einzige, liegt im Wiederaufarbeiten. Als Werk versucht es nicht, dass der Zuschauer wächst sondern möchte ganz im Gegenteil, dass der Zuschauer sich an eine Komfortzone gewöhnt, in der sich immer die gleichen Situationen wiederholen und manchmal die Szenografie oder die Personen sich ändern. Die Emotionen und Gefühle werden auf die gleiche Weise ausgedrückt und die Gründe dafür sind mit kleinen Abweichungen immer die gleichen. Selbst die Szenen der Gewalt und die Actionszenen laufen nach einem repetitiven Muster ab.
Das Extrem ist, dass die „harten“ Hollywood Schauspieler in ihren Verträgen festlegen lassen, dass die Anzahl von Schlägen, die verteilen, höher liegen muss, als die, die sie bekommen und es dürfen nie weniger sein als der andere Charaktertyp. „Die Filme werden gemacht, um eine Reihe von spezifischen Forderungen zu erfüllen und sie werden als Variationen einer endlichen Themenanzahl entworfen“, sagt Scorcese.
In Wirklichkeit ist es so, dass in der Mehrzahl der Fälle, man einfach eine Maske abnimmt und eine andere aufsetzt. Der domestizierte Verbraucher stört sich daran, wenn diese Codes verletzt werden, sowie nicht wenige Zuschauer sich an der letzten Auflage von Joker störten, weil die ungewöhnliche Tiefe der Person sie gelangweilt hat.
Dieses immer wieder aufbereitete Kino lehrt uns keine neuen Formen, um die Realität zu verstehen oder wenigstens kreative Formen eines befreienden Genusses. Dieses Kino indoktriniert. Und Indoktrinierung ist das Gegenteil von Erziehung und Bildung.
Manchmal ist davon die Rede, dass es gerade dieser Konsumbrei ist, den die Jugendlichen wollen und man ihnen diesen deshalb geben müsse. Allein die Vorstellung einer solch herablassenden Haltung ist widerlich. Wenn man der Meinung ist, dass wir uns der Welt anpassen müssten, sollten wir zunächst einmal klären, von welcher Welt hier die Rede ist. Denn wenn wir von der Welt sprechen, die aus dem sozialistischen Debakel des XX. Jahrhunderts hervorgegangen ist, das noch vorherrscht, der der neoliberalen Hegemonie und der Demontage der Prozesse der Entkolonisierung, ist die eindeutige Schlussfolgerung, das wir in einer sehr mittelmäßigen leben. Sollen wir uns etwa an diese Mittelmäßigkeit anpassen?
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Die Aufrufe sich sich damit abzufinden, sind zu allen Zeiten Aufrufe gewesen uns zu sterilisieren.Und es ist so, dass der Feind als Ergebnis seiner Lernfähigkeit in immer neuer Kleidung auftritt und uns einem enormen ideologischen Angriff aussetzt, bei dem es so aussieht, als ob er etwas schafft, während er in Wirklichkeit nur recycelt. Und er schafft nicht in dem Sinne etwas Neues hervorzubringen. Es gibt nichts an Neuem bei den Ideen, die in einem neuen Parfum wieder auftreten. Sie wollen uns nur Äpfel für Birnen verkaufen. Und das passiert, wenn wir Bildung durch Indoktrinierung ersetzen.
Es würde nicht das erste Mal sein, dass rückwärtsgewandte Ideen sich bei den Menschen durchsetzen. Und dieses Unterfangen wird ganz leicht gemacht, wenn es uns nicht gelingt, das revolutionäre Denken aus festgefahrenen Phrasen und einschläfernden Slogans herauszureißen, wenn wir unsere eigenes Wiederaufgearbeitetes überwinden. Das werden wir nicht erreichen, wenn wir uns nicht über die Kultur sondern über die Indoktrinierung erziehen.Wenn wird die intellektuelle Arbeit auf die verarmende Reproduktion der Sätze unserer Führung reduzieren, die aus dem Zusammenhang gerissen und als Dogma übernommen, nicht wirklich die Antwort auf diese große Wahrheit sind, dass unsere Waffen die Ideen sind.
Damit die Waffen in unseren Händen wirkungsvoll sind, muss man täglich mit ihnen üben. Schlimmer ist es noch, wenn die Aktion nicht vom Denken geleitet wird, sondern von der Unkultur, sofort gefällig zu sein, Erwartungen zu erfüllen, ein anerkennendes Schulterklopfen zu bekommen. Seine Meinung auszusprechen, wenn sie revolutionär ist, ist immer unbequem, weil damit Unzufriedenheit verbunden ist. Der revolutionärste Akt, den jemand durchführen kann, ist auf der Grundlage der Kultur zu denken und, um immer besser zu denken, muss man immer mehr Kultur erwerben und im Sinne dieses Denkens, ehrlich zu sein und entsprechend zu handeln. Die größte Schlacht von jedem von uns ist die, die wir mit uns selbst austragen.
Ich lehne die Vorstellung ab, die den Leser-Beobachter-Zuschauer reduziert oder unterschätzt. Ich lehne die Vorstellung ab, dass man für die Jugendlichen die Botschaft vereinfachen muss, damit sie ankommt. Ich lehne die Vorstellung ab, mit der Konzeption des Volkes, die Notwendigkeit Bevormundung zu verbinden. Ich lehne die Vorstellung ab, die uns glauben machen wollen, dass die neuen Zeiten den Sieg des Sterilen und des Trivialen bedeuten.
Wo werden die neuen Erzeuger revolutionärer Ideen herkommen, wenn wir in einer Realität, die uns von der ideologischen kapitalistischen Hegemonie aufgezwungen wird, es als eine Wahrheit übernehmen, dass zu vereinfachen die neue Art der Bildung ist und dass die heutige Jugend nicht in der Lage ist, das Authentische aufzunehmen, das sie wachsen lässt. Wenn man konsequent in seinem revolutionäres Denken ist, man zu dem Schluss kommen muss, dass die Jugend in Bezug auf Kultur mehr assimilieren wird, als wir als vorhergehende Generationen dies taten. Jedes andere Rezept dieses geschmacklosen Breis kann nicht danach streben, Kultur als emanzipatorische Kraft zu schaffen. Und wenn man keine Kultur schafft, geht man zugrunde.
In dieser Welt, in der die Dekadenz einiger vorhat, die gesamte Menschheit mitzureißen, trägt unsere revolutionäre Rebellion immer noch den Stern auf der Stirn der leuchtet und tötet .
http://de.granma.cu/mundo/2020-03-02/von-der-notwendigkeit-zu-erziehen-anstatt-zu-indoktrinieren