Erfolgsmeldung aus Venezuela
Trotz Blockade: komplizierter medizinischer Eingriff gelungen. Präsident Maduro fordert Freigabe von Mitteln
Von Modaira Rubio, Caracas
Nachdem der Eingriff mehrmals verschoben worden war, konnten die siamesischen Zwillinge Ana Ruth und Ana Saray am vergangenen Donnerstag voneinander getrennt werden. Wie lokale Medien berichteten, waren an der acht Stunden dauernden Operation im Universitätskrankenhaus von Maracaibo 35 Spezialisten beteiligt. Den Geschwistern gehe es gut, sie hätten gute Überlebenschancen.
Die Schwestern kamen am 16. September 2018 zur Welt und waren an Unterleib und Brust miteinander verwachsen. Die eigentlich für März vorgesehene Operation musste wegen des Stromausfalls am 7. März verschoben werden. In dem Monat kam es im ganzen Land immer wieder zu Blackouts, wofür die Regierung Anschläge von Putschisten verantwortlich machte.
In Venezuela wurde die Nachricht als Indikator dafür aufgefasst, dass die Lage im Land nicht so dramatisch ist wie in den meisten Medien dargestellt. Trotz der Finanzblockade konnte ein äußerst komplizierter Eingriff vorgenommen werden. Trotzdem ist das Gesundheitssystem des Landes von den durch die USA verhängten Sanktionen besonders betroffen. Gerade internationale Medien zeichnen das Bild einer »humanitären Krise«, die in Venezuela herrsche. Das Thema Gesundheit wird dazu benutzt, die Notwendigkeit einer US-Militärintervention herbeizureden. Dabei wird die Rolle der USA jedoch verschwiegen: Aufgrund der Handelsbeschränkungen werden derzeit mehrere Milliarden Dollar für den Kauf von Medikamenten und Lebensmitteln zurückgehalten, wie Zahlen der venezolanischen Regierung zeigen.
Ausländische Medien instrumentalisierten den Tod von sechs Kindern, die im Mai in der Hauptstadt Caracas gestorben waren, dazu, Venezuelas Regierung zu attackieren. Vier der Kinder hatten auf eine Knochenmarktransplantation gewartet – ein Eingriff, den das Land in Italien durchführen lässt. Außenminister Jorge Arreaza verwies darauf, dass die Finanzblockade die Behandlungen unmöglich gemacht habe. Ein dafür mit Geldern des venezolanischen Erdölkonzerns PDVSA eingerichteter Hilfsfonds in Höhe von 1,5 Milliarden Euro war von der portugiesischen Novo Banco eingefroren worden.
Auch bei dem in Oslo stattfindenden Dialog soll es um die »Freigabe der Mittel« gehen, wie der venezolanische Präsident Nicolás Maduro am vergangenen Samstag mitteilte. Dort finden derzeit Gespräche zwischen der Regierung und der Opposition statt. Er habe seine Gesandten dazu aufgefordert, anzusprechen, dass US-Sanktionen die Durchführung notwendiger Behandlungen verhindern. »Ich habe den Genossen Jorge Rodríguez, Chef der Friedensdialoge in Norwegen, angewiesen, die Freigabe der Mittel für die Zahlung der Behandlungen zu fordern«, so Maduro in Funk und Fernsehen.
Der Wirtschaftskrieg der USA gegen Venezuela war 2013 mit dem Amtsantritt von Maduro verstärkt worden. Der Beginn der Sanktionen machte den Mangel an Lebensmitteln, Medikamenten und anderen Produkten für die Bevölkerung besonders spürbar. Allerdings hatten Fehler der Regierung auch schon vorher zu Problemen geführt.
Exemplarisch dafür ist der Fall des im März nach Kolumbien geflohenen Expräsidenten des venezolanischen Sozialversicherungsinstituts (IVSS), Carlos Rotondaro. Ihm warf die oppositionelle Nationalversammlung 2018 Unterschlagung von mindestens hundert Millionen Dollar vor, die für den Kauf von medizinischen Artikeln gedacht waren. Mit der Regierung solidarische Organisationen wie die Kommunistische Partei Venezuelas (PCV) und Basisgruppen hatten jedoch schon 2008 auf Korruption hingewiesen und Rotondaros Absetzung gefordert, ohne dass auf sie gehört worden war.
Die Nachricht von der erfolgreichen Trennung der siamesischen Zwillinge zeigt, dass das venezolanische Gesundheitssystem im Vergleich zu denen anderer sogenannter unterentwickelter Länder, die keinen Sanktionen ausgesetzt sind, besser funktioniert. Das liegt auch an der Prioritätensetzung Venezuelas: 75 Prozent des Haushalts 2019 sind für den sozialen Bereich vorgesehen, von diesen wiederum neun Prozent für den Gesundheitssektor.
https://www.jungewelt.de/artikel/356112.venezuela-erfolgsmeldung-aus-venezuela.html