Diffamiert und kriminalisiert
Bolivien: Putschisten verstärken politische Verfolgung von Linken. Expräsident Morales wehrt sich aus Exil
Von Volker Hermsdorf
Boliviens Putschistenregime hat »Interpol« zur Ausstellung eines internationalen Haftbefehls gegen den gestürzten Präsidenten Evo Morales aufgefordert, der nach dem Staatsstreich Schutz vor politischer Verfolgung in Argentinien gefunden hat. Das erklärte Arturo Murillo, der faktisch als Innenminister agiert, am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Laut Medienberichten sei der Name Morales allerdings noch nicht auf der Seite von Interpol zu finden gewesen.
Gleichzeitig kündigten die neuen Machthaber Ermittlungen gegen 592 Politiker und Beamte an, die mit dem ersten indigenen Präsidenten während dessen 14jähriger Amtszeit in Verbindung standen. Ihnen wird unter anderem »Korruption« und »Bereicherung« vorgeworfen. Mathias Kutsch, der »Beauftragte für Korruptionsbekämpfung«, sagte, die Liste der Betroffenen sei zwar vertraulich, deutete aber an, dass es sich vorwiegend um Mitglieder und Anhänger der von Morales geführten »Bewegung für den Sozialismus« (MAS) handelt – ein weitere Maßnahme gegen die bisherige Regierungspartei vor den für den 3. Mai angesetzten Neuwahlen.
Der Oberste Wahlgerichtshof (TSE) hat den Parteien bis zum 3. Februar Zeit eingeräumt, ihre Bewerber für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen registrieren zu lassen. Während mit den ehemaligen Vorsitzenden der rechten »Bürgerkomitees« von Santa Cruz und Potosi, Luis Camacho und Marco Pumari, zwei Hauptakteure des Putsches bereits Anfang des Jahres angekündigt hatten, gemeinsam zur Wahl anzutreten, will die MAS ihre Kandidaten am 19. Januar küren. Ein Antrag der Putschisten, die Partei verbieten und auflösen zu lassen, wurde vom TSE zwar abgelehnt, doch Aktivisten, Gewerkschafter, Vertreter sozialer Bewegungen und indigener Organisationen fürchten, dass die Wahlen am 3. Mai weder sauber noch fair sein werden.
Ihr Verdacht stützt sich auf die Unterdrückung von Oppositionellen, die Verfolgung progressiver Kräfte und rassistische Kampagnen gegen die indigene Bevölkerung, die von der Putschregierung organisiert wurden. Nur zwei Wochen nach dem erzwungenen Rücktritt von Morales am 10. November und der Erklärung von Senatorin Jeanine Áñez zwei Tage später, sie sei jetzt »Übergangspräsidentin«, hatte der US-Fernsehsender CNN 31 Tote und Hunderte Verletzte gezählt, die Opfer von Polizei- und Militärgewalt geworden waren.
Gleichzeitig werden Journalisten verfolgt, die Medien gleich- und Kritiker ausgeschaltet. Seit November mussten 53 Gemeinderadiostationen den Betrieb einstellen, die Nachrichtensender Telesur und RT werden nicht mehr ausgestrahlt.
Begleitet werden die Gewaltexzesse der Putschisten von Verleumdungskampagnen. Áñez, die zum militanten evangelikalen Teil der bolivianischen Rechten zählt, hatte den MAS-Anhängern bereits kurz nach ihrer Machtergreifung gedroht: »Gott und die Gerechtigkeit werden euch richten«. Am vergangenen Sonnabend erklärte sie in der Hauptstadt Sucre: »Lassen wir nicht zu, dass (…) die Vertreter einer Willkürherrschaft, die Gewalttätigen und die ›Wilden‹, wieder an die Macht kommen«.
Morales, der den Wahlkampf seiner Partei aus dem argentinischen Exil koordiniert, konterte: »Wir, die Wilden, sind Ureinwohner, Bauern, Fabrikarbeiter, Bergleute und Gewerkschafter. Wir, die Wilden, sind Antiimperialisten, Antikapitalisten, Antineoliberale und Antikolonialisten. Zusammen mit der Bevölkerung haben wir 20 Jahre lang gekämpft, um die Ausplünderung unserer natürlichen Ressourcen zu stoppen. Jetzt geht es vor allem darum, Bolivien mit demokratischen Mitteln gegen Rassismus und Faschismus zu verteidigen.«
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