Fünf Monate Währungsreform: Der CUC geht, die Probleme bleiben
Fünf Monate nach Beginn der Währungsreform auf Kuba ist der konvertible Peso (CUC) inzwischen weitgehend außer Zirkulation. Wie der Leiter der Reformkommission, Marino Murillo, bekannt gab, seien bereits 80 Prozent der Geldmenge umgetauscht oder über Verkäufe abgeschöpft worden. Der Bevölkerung bleibt noch bis zum 1. Juli für den Wechsel der ehemaligen Zweitwährung, die wirtschaftlichen Probleme der Insel werden den CUC allerdings noch lange Zeit überleben.
Dollar gewinnt an Bedeutung
Mit der Abschaffung des konvertiblen Peso kehrte Kuba nach mehr als drei Jahrzehnten wieder zu einer einheitlichen Landeswährung zurück, gleichzeitig wurde der Wechselkurs für Unternehmen und Haushalte auf 24:1 zum US-Dollar vereinheitlicht. Dieser gerät angesichts der aktuellen Wirtschafts- und Versorgungskrise allerdings zunehmend unter Druck: ab Januar pendelte sich der Schwarzmarktkurs zunächst auf um die 50:1 zum Dollar ein und blieb dort für längere Zeit stabil. Seit einigen Tagen gerät er wieder leicht ins Rutschen und wird auf Anzeigenportalen mit bis zu 60:1 zum Dollar gelistet.
Während die Gehälter auf Kuba in Pesos (CUP) gezahlt werden, sind seit vergangenem Juli inzwischen viele Lebensmittel und Hygieneprodukte außerhalb des Rationierungssystems nur noch gegen US-Dollar und andere Fremdwährungen erhältlich. Nur ein Drittel der Bevölkerung hat hierzu direkten Zugang durch Geldsendungen von Familien aus dem Ausland – den übrigen bleibt nur der illegale Umtausch, da der Staat mangels Devisen den offiziellen Kurs von 24:1 nicht bedienen kann. Lediglich wer für längere Zeit ins Ausland fährt kann Pesos im Wert von maximal 300 Dollar umtauschen.
In Folge des coronabedingten Tourismus-Einbruchs und neuer US-Sanktionen haben sich die Importkapazitäten des Staates im vergangenen Jahr halbiert. Die aktuelle Versorgungslage ist entsprechend angespannt. Während die Bauernmärkte heute anders als in den 1990er Jahren verhältnismäßig gut mit Obst und Gemüse bestückt sind, fehlt es vor allem an Importwaren wie Speiseöl, Fleisch und Hygieneartikeln. Lange Schlangen von mehreren Stunden sind in Havanna und anderen Städten eher die Regel als die Ausnahme, in Apotheken und Krankenhäusern fehlen selbst essentiellste Medikamente. Um die Situation zu lindern wurde für Mai die Abgabe von einem Pfund (in Kuba: 460g) zusätzlichem Reis für Preise zwischen 7 und 10 Pesos über das Bezugsheft „Libreta“ angekündigt. Für viele Haushalte wirkt das wie ein Tropfen auf dem heißen Stein, wovon die Kommentarspalte unter der Ankündigung des Nachrichtenportals „Cubadebate“ zeugt. Um die Ernährung der Bevölkerung „mit der geringstmöglichen Abhängigkeit von außen“ sicherstellen zu können, startete die Regierung von Präsident Miguel Díaz-Canel jüngst eine umfangreiche Landwirtschaftsreform. Bis erste Ergebnisse auf den Tellern ankommen, wird es jedoch einige Zeit brauchen.
Trotz der sich bereits zuvor andeutenden erneuten Zweiteilung der Versorgungskanäle blieb die Währungsreform nicht ohne Effekt: ungeachtet der schleichenden Entwertung des Peso hat das seit Januar deutlich rationalere Lohn- und Preisverhältnis neue Anreize zur Aufnahme einer produktiven Beschäftigung erzeugt, mehr als 100.000 Personen konnten bis dato vermittelt werden. Der einheitliche Wechselkurs im Staatssektor setzt Anreize für Exporteure, die frühzeitig gegeben werden müssen – auch und gerade wenn sich die Wirtschaft nur langsam in diese Richtung umsteuern lässt.
Staatshaushalt am Limit
Kubas finanzielle Situation könnte indes schwieriger kaum sein, der Staat ist in vielen Bereichen praktisch zahlungsunfähig. Seit 2019 kann das sozialistische Land seine Schulden nicht mehr bedienen, die erst wenige Jahre zuvor im Rahmen eines Abkommens mit dem „Club von Paris“ neu verhandelt wurden. Wie der kubanische Ökonom José Luis Rodríguez schätzt, hat sich der Schuldendienst Kubas von 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2008 auf 12 Prozent im Jahr 2018 erhöht. Die Neuverhandlung, mit welcher der Erlass eines Großteils der kubanischen Altschulden in Höhe von 8,5 Mrd. US-Dollar geregelt wurde, war notwendig, um überhaupt an neue Kredite zu kommen und das Vertrauen von Gläubigern und Handelspartner zurückzugewinnen. Zwei Dinge, die Kuba dringend braucht um den Peso zu stabilisieren und die Pandemie versorgungstechnisch zu überbrücken.
Die Einstellung des Schuldendienstes könnte für Kuba durch die Sanktionsmechanismen des damals ausgehandelten Vertrags zu empfindlichen Problemen auch bei kurzfristigen Kreditlinien führen, wenn nicht eine andere Lösung gefunden wird. „Es stimmt, dass die Regierung ihre Schulden zurückzahlen will, aber es stimmt auch, dass es an Nahrungsmitteln fehlt. Woher soll das Geld also kommen?“ fragt der Ökonom Omar Everleny Pérez. Die aktuelle Situation sei „nochmals komplizierter als im Jahr 2020“, so Everleny. Auch der inzwischen in Kolumbien lehrende ehemalige Zentralbankökonom Pavel Vidal ist sich sicher, dass Kubas Regierung an dem Vertrag festhalten will, ihr durch Pandemie und US-Sanktionen aber die Hände gebunden sind. Dies scheinen mittlerweile auch die Gläubiger vernommen zu haben: Wie das Finanznachrichtenportal „Bloomberg“ berichtet, will der britische Biotechnologie- und Militärtechnikkonzern CRF I Ltd. die Rückzahlung der 1,4 Mrd. US-Dollar an das Unternehmen mit weiteren Abschlägen bis zum Jahr 2026 stunden. Das Angebot wurde offenbar kurz vor dem Parteitag im April unterbreitet. Mit dem „Club von Paris“ einigte sich Kuba 2020 auf eine einmalige Aussetzung der Zahlungen. Ob für dieses Jahr eine ähnliche Lösung gefunden wird, ist noch ungewiss. Der Schritt von CRF könnte jedoch dazu führen, dass andere Gläubiger nachziehen werden.
Fazit: Licht am Ende der Impfung?
Kubas Wirtschaft befindet sich inmitten der schwersten Krise seit den frühen 1990er Jahren. Die Währungsreform, mit der Anreize für mehr Beschäftigung und Exporte gegeben wurden, kann daran naturgemäß auf kurze Sicht nichts ändern. Im Gegenteil: viele Probleme der komplexen Finanzbeziehungen innerhalb des Staatssektors werden jetzt umso deutlicher, was allerdings gleichzeitig Voraussetzung für ihre Lösung ist. Die aktuelle Rezession wurde von dem Prozess jedoch nicht verschärft. Sie begann bereits im Herbst 2019 in Folge der damaligen Energiekrise und erhielt durch die Pandemie und immer neue Finanzsanktionen der Trump-Administration schließlich die aktuellen Ausmaße. Ohne eine Änderung bei mindestens einem der externen Parameter – US-Blockade oder Tourismus/Pandemie – wird sich die Lage mittelfristig kaum bessern. Von Biden scheint derzeit keine humanitäre Geste zu erwarten sein, weshalb die Insel ihre Hoffnung auf eine zügige Impfkampagne mit der Perspektive einer nachhaltigen Öffnung des Tourismus und möglichen Exportverträgen ihrer Vakzine zum Ende des Jahres setzt. Wie genau diese Gleichung aufgeht, ist freilich ungewiss.